Edelstahlindustrie in Europa braucht offene Rohstoffmärkte
ForschungEdelstahl ist eines der wichtigsten Materialien in modernen Industriegesellschaften. Seine uneingeschränkte Verfügbarkeit ist daher für Unternehmen in Europa von großer Bedeutung. Indessen wachsen weltweit die Handelsbarrieren für die wichtigsten Bestandteile von Edelstahl: Nickel, Chrom, Molybdän und Edelstahlschrott. Als Nettoimporteur der zentralen Komponenten von Edelstahl sollte die Europäische Union (EU) diesem Trend entgegenwirken, um auch für die Zukunft eine entsprechende Versorgungssicherheit zu garantieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim im Auftrag der Rohstoffhandelsgruppe Oryx Stainless.
In seinem Gutachten hat das ZEW die weltweiten Exportbeschränkungen beim Handel mit den zentralen Bestandteilen von Edelstahl erfasst und mögliche Handlungsoptionen der EU diskutiert. Denn nach China ist die EU zwar der zweitgrößte Produzent von Edelstahl weltweit, hängt jedoch bei drei der vier wichtigsten Rohstoffe – Nickel, Chrom und Molybdän – vollständig von Importen aus dem Ausland ab. Lediglich bei Edelstahlschrott, dem vierten Hauptrohstoff, hat die EU große Bestände vorzuweisen.
In einem ersten Schritt betrachtet das ZEW die Neigung unterschiedlicher Gruppen von Staaten, Exportbeschränkungen einzuführen. Vor allem die entwickelten Länder, deren Produktion und Handelsströme weltweit verflochten sind, vertrauen eher auf den freien Handel ohne Exportschranken. Ressourcenreiche Länder auf dem Weg der Industrialisierung, die über eine gewisse Marktmacht bei einem oder mehreren Rohstoffen verfügen, sowie Entwicklungsländer neigen dagegen stärker dazu, ihre Exporte zu reglementieren.
In einem zweiten Schritt erstellte das ZEW einen umfassenden Überblick zu den Exportbeschränkungen bei den vier Hauptrohstoffen zur Produktion von Edelstahl – Nickel, Chrom, Molybdän und Edelstahlschrott – für die Jahre 2007-2012. Erfasst wurden Ausfuhrzölle, Quoten, Ausfuhrverbote und Lizenzierungsvorschriften für mehr als 30 Staaten. So hat beispielsweise China Exportbeschränkungen für alle vier Rohstoffe eingeführt. Russland und Indonesien beschränken die Ausfuhr von Nickel, wobei Russland sich mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (World Trade Organisation – WTO) verpflichtet hat, künftig Exportschranken abzubauen. Auch Exportbeschränkungen für Edelstahlschrott bestehen in einer ganzen Reihe von Ländern.
In einem dritten Schritt formuliert das ZEW Empfehlungen an die EU. So rät das ZEW, eine umfassende Datenbank aufzubauen und regelmäßig zu aktualisieren, die alle Exportbeschränkungen auf den relevanten Märkten abbildet. Dies steigere die Transparenz und senke die Transaktionskosten für Rohstoffimporteure. Die EU solle weiterhin prüfen, ob ihre öffentlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung noch angemessen seien und ob die Recyclingraten der Rohstoffe gesteigert werden könnten. Beides trage zu einem nachhaltigeren Ressourcenverbrauch bei wichtigen Edelstahlbestandteilen bei. Kurzfristig solle die EU versuchen, über die WTO eine Verpflichtung von deren Mitgliedstaaten zum Abbau von Handelsbeschränkungen durchzusetzen. Langfristig sieht das ZEW multilaterale Verträge als beste Option der EU, um Exportbeschränkungen auszuschließen.
Ansprechpartner
Prof. Dr. Andreas Löschel, E-Mail loeschel@zew.de
Frank Pothen, Telefon 0621/1235-368, E-Mail pothen@zew.de