Erfolgreiche Geldpolitik braucht gute Notenbankkommunikation

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Dr. Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, bei seinem Vortrag am ZEW

Bundesbankpräsident Dr. Jens Weidmann sprach am ZEW zum Thema „Notenbankkommunikation als geldpolitisches Instrument“. Zu diesem Vortrag in der Reihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“, konnte ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, Ph.D., über 200 Gäste begrüßen.

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Er nehme sich heute mit der Kommunikation der Notenbanken eines eher trockenen Themas an, stimmte der Redner gleich zu Beginn die Zuhörer/innen auf seinen Vortrag ein, nur um in der folgenden halben Stunde dieses Thema mit großem Elan hochinteressant und kurzweilig auszugestalten.

Reden, so stieg der Bundesbankpräsident gleich mitten ins Thema ein, seien für die Notenbanken zu einem wichtigen Instrument ihrer Kommunikation geworden.Allerdings seien sie nur einer von mehreren Kommunikationskanälen. Ergänzend hinzu kämen regelmäßig erscheinenden Berichte, Interviews oder Pressekonferenzen. So achteten beispielsweise sogenannte ECB-Watchers bei den Statements des EZB-Präsidenten im Anschluss an geldpolitische EZB-Ratssitzungen auf kleinste Änderungen in der Kommunikation, die sofort gedeutet würden. Und nicht nur das Gesagte, sondern auch das Nicht-Gesagte werde als Botschaft genau analysiert.

Noch vor wenigen Jahrzehnten seien Notenbanken in ihrer Kommunikation dagegen eher intransparent gewesen und es habe sie eine Aura des Geheimnisvollen umgeben, erklärte Weidmann. So trug ein Buch über die Federal Reserve (Fed), vor 30 Jahren denn auch den bezeichnenden Titel: „The Secrets of the Temple“. Gerade an der Fed zeige sich aber der Wandel, der seit dieser Zeit stattgefunden habe. Zug um Zug habe sie über die Jahre ihre geldpolitische Kommunikation verbessert, ihre Ziele etwa beim Leitzins klarer kommuniziert, Abstimmungsergebnisse offen gelegt, Aussagen zum wahrscheinlichen Zinspfad gemacht und seit 2011 gebe es viermal im Jahr nach FOMC-Sitzungen Pressekonferenzen.

Mehr Transparenz durch intensivere Kommunikation

Ziel der intensiveren Kommunikation der Notenbanken sei eine größere Transparenz, machte Weidmann deutlich. Indem sie ihre Entscheidungen verständlich erläuterten, stärkten sie das Vertrauen der Öffentlichkeit, dass sie ihren Auftrag, Preisstabilität zu sichern, erfüllten. Und dieses Vertrauen sei das wertvollste Kapital, das eine Notenbank habe. Zum anderen lasse sich mit Kommunikation aber auch Geldpolitik machen. Wenn Menschen sich wirtschaftlich betätigten, dann handelten sie vorausschauend, bildeten Erwartungen, die eine Notenbank durch kluge Kommunikation beeinflussen könne.

Die Wirkung der Geldpolitik hänge dabei weniger vom kurzfristigen Geldmarktzins ab als vielmehr von den Erwartungen über den künftigen Pfad der Leitzinsen und vor allem die langfristigen Zinsen, erklärte Weidmann. Kommunikation diene also der Erwartungssteuerung, und je besser die Erwartungen gesteuert würden, desto besser stabilisiere die Notenbank die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit auch die Preisentwicklung.

Eine zentrale Rolle, so Weidmann, spiele in Bezug auf die geldpolitischen Erwartungen die Bekanntgabe des Inflationsziels. Der EZB-Rat habe daher bereits vor der Einführung des Euro eine quantitative Definition von Preisstabilität veröffentlicht und diese später präzisiert. Das Ziel dabei sei gewesen, von Anfang an etwaige Zweifel an der Stabilitätsorientierung des Eurosystems zu zerstreuen.

Kommunikative Instrumente der EZB

Mit Blick auf die Kommunikation der EZB, machte Weidmann klar, dass diese durch ihre regelmäßigen Pressekonferenzen über ein Kommunikationsinstrument verfügt, das die Möglichkeit bietet, geldpolitische Entscheidungen sehr zeitnah und ausführlich zu erläutern. Zudem veröffentlicht der EZB-Rat seit 2015 mit den sogenannten „Accounts“ ausführliche schriftliche Zusammenfassungen seiner geldpolitischen Sitzungen. Sinn dieser Maßnahmen sei es, geldpolitische Entscheidungen kommunikativ so gut vorzubereiten, dass die Entscheidung selbst die Märkte oft kaum noch überrasche.

Gute Notenbankkommunikation zeichnet sich für den Präsidenten der Bundesbank aber auch dadurch aus, dass sie deutlich macht, wie die Ausrichtung der Geldpolitik vom jeweiligen wirtschaftlichen Umfeld abhängt und wie die Notenbank auf etwaige Abweichungen vom angestrebten Ziel reagieren wird. Die Wirtschaftsteilnehmer können so von sich aus ihre Erwartungen über Zinsen und Inflation und damit ihr Verhalten an Neuigkeiten, etwa einen unerwarteten Ölpreisanstieg, anpassen. Und indem sie das tun, muss die Notenbank selbst weniger auf das veränderte ökonomische Umfeld reagieren.

Wichtig ist für den Bundesbankpräsidenten allerdings auch eine präzise Kommunikation. Das heißt Zentralbanken dürfen, insbesondere bei krisenhaften Situationen, nicht davor zurückschrecken, eine notwendige Orientierung zu geben, nur weil sie eine Gegenreaktion der Märkte befürchten. Vor diesem Hintergrund stellte für Weidmann das Erreichen der effektiven Zinsuntergrenze im Euroraum die Geldpolitik vor besondere kommunikative Herausforderungen.

„Forward Guidance“ zur besseren Orientierung

So habe im Rahmen der sogenannten „Forward Guidance“ der EZB-Rat bereits ab Juli 2013, also noch vor Erreichen der effektiven Zinsuntergrenze, damit begonnen, Hinweise bezüglich der künftigen Entwicklung der Leitzinsen zu geben. Dabei darf Forward Guidance aber nicht zu eng gesehen werden, denn sie gibt nicht nur Hinweise bezüglich der künftigen Entwicklung der Leitzinsen. Vielmehr umfasst sie grundsätzlich alle Hinweise auf künftige geldpolitische Entscheidungen. Die Forward Guidance des EZB-Rates ist, so erklärte der Bundesbankpräsident, allerdings nicht sklavisch festgeschrieben. Wäre etwa die Inflationsdynamik schneller als erwartet in Gang gekommen, hätte das Eurosystem, obgleich mit einigem Begründungsaufwand, vom ursprünglich angekündigten Kurs auch abweichen können.

Um die Geldpolitik trotz eingeschränkter Handlungsmöglichkeiten an der Zinsuntergrenze weiter zu lockern, griff die EZB schließlich zu unkonventionellen Maßnahmen. Im Eurosystem wurde ein umfangreiches Wertpapierankaufprogramm beschlossen. Nach den jüngsten Prognosen des EZB-Stabs, so Weidmann, wird die Inflationsrate im Euroraum bis zum Jahr 2020 aber auf rund 1,7 Prozent ansteigen, also auf einen Wert, der mit der EZB-Definition von Preisstabilität im Großen und Ganzen wieder vereinbar ist: „Unter, aber nahe zwei Prozent auf mittlere Frist“ lautet das selbstgesteckte Ziel des EZB-Rats. Deswegen, so der Bundesbankchef, überrasche es nicht, dass an den Finanzmärkten seit einiger Zeit mit einem Ende der Netto-Anleihekäufe noch in diesem Jahr gerechnet werde; angekündigt seien die Käufe bis mindestens September.

Das Ende der Netto-Käufe wäre der Anfang einer geldpolitischen Normalisierung, die indessen einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Gerade deswegen ist es aber nach Weidmanns Ansicht wichtig, deren Beginn nicht unnötig aufzuschieben. Eine Normalisierung würde der Geldpolitik auch wieder Spielraum verschaffen, um auf etwaige künftige konjunkturelle Einbrüche zu reagieren. Denn ewig fortdauern, so der Bundesbankpräsident, werde auch der aktuelle Aufschwung nicht.

Kommunikative Vorbereitung der Rückkehr zur Normalität im Euroraum

Beim Ausstieg aus der derzeitigen außergewöhnlichen Geldpolitik im Euroraum könnten bis zu einem gewissen Grad die Erfahrungen der Fed mit dem Ende der Niedrigzinspolitik hilfreich sein, allerdings mit Unterschieden. So wird, laut Weidmann, die konjunkturelle Entwicklung im Euroraum beim Start der Normalisierung vermutlich deutlich weiter fortgeschritten sein als seinerzeit in den USA. Die erste Zinserhöhung könnte insofern schneller auf das Ende der Nettokäufe folgen als in den USA. Dort verging zwischen dem Ende der Wertpapierkäufe und der ersten Zinserhöhung mehr als ein Jahr. Marktteilnehmer erwarteten eine erste Zinsanhebung der EZB etwa zur Mitte des Jahres 2019, was ihm nicht ganz unrealistisch erscheine, erklärte Weidmann. Gleichwohl sei die Formulierung „für längere Zeit und weit über den Zeithorizont“ recht vage, was die Frage aufwerfe, ob und wann der Zeitpunkt genauer konkretisiert werden sollte.

Zukunftsgerichtete Hinweise im Rahmen der Forward Guidance werden beim Ausstiegsprozess der EZB aus der unkonventionellen Geldpolitik zweifellos wertvolle Hilfe leisten, ohne dass sich der EZB-Rat damit aber für die Zukunft die Hände binden wird, meint Weidmann. In den kommenden Wochen und Monaten werde sich der EZB-Rat jedenfalls intensiv mit der Frage beschäftigen müssen, wie die Normalisierung kommunikativ vorbereitet werden solle, denn eine gute Vorbereitung sei bei solch einem Szenario besonders wichtig.

In der sich anschließenden Diskussion zwischen Achim Wambach und Jens Weidmann ging es unter anderem um die Frage, ob die EZB sich durch das Forward Guidance-Prinzip nicht selbst zu stark bindet und ob es nicht besser wäre, wenn die 19 Notenbankchefs im EZB-Rat nach außen mit einer Stimme sprächen. Eine zu starke Bindung durch Forward Guidance sieht der Bundesbankpräsident nicht. Vielmehr betonte er die aufklärerische Wirkung dieses Konzepts. Dadurch werde Öffentlichkeit und Marktakteuren transparent, wie die EZB reagieren werde, wenn sich bestimmte Rahmenbedingungen änderten. Die Vielstimmigkeit im EZB-Rat sah er ebenfalls positiv. Wenn es in grundsätzlichen Fragen Dissens gebe und man über kontroverse Diskussionen zur Abbildung von Mehrheitsverhältnissen komme, dann könnten die Akteure an den Finanzmärkten den Statements und Accounts entsprechende Informationen entnehmen und diese in ihre Erwartungsbildung mit einbeziehen. Dies ergebe ein realistischeres Bild als wenn man bestehende grundsätzliche Divergenzen zu verschweigen suchte.

Die anschließend für Fragen der Zuhörer/innen zur Verfügung stehende Zeit nutzten diese voll aus. Das Interesse galt unter anderem der Art und Weise der Diskussion des Inflationsziels im EZB-Rat und die Vermittlung eines solchen Ziels an die Öffentlichkeit, den Problemen für die Geldpolitik aufgrund von zum Teil sehr großen wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den Euro-Ländern sowie den Effekten der expansiven Geldpolitik für Deutschland und inwieweit die EZB weitere Instrumente habe, um kommende Konjunkturschwächen abzufedern. Gefragt wurde aber auch, ob die "Whatever it takes"-Rede von Mario Draghi vorab mit dem EZB-Rat abgestimmt worden sei und nach der Zukunft des Bargelds? Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Empfang, der Gelegenheit für viele weitere Diskussionen bot.

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