Haushaltsführung: Geld allein löst Probleme nicht
VeranstaltungsreihenGemeinsame Podiumsdiskussion des ZEW Mannheim und des Finanzministeriums Baden-Württemberg in Stuttgart zu nachhaltigen Haushalten
Die Haushalte in Bund, Ländern und Kommunen sind angespannt und die Steuereinnahmen sinken. Am 11. Juni 2024 betonte ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD bei einer gemeinsamen Veranstaltung des ZEW Mannheim und des Finanzministeriums Baden-Württemberg in der BW-Bank Stuttgart, dass eine kluge Haushaltspolitik dafür sorgen müsse, privates Kapital zu aktivieren. Dr. Danyal Bayaz, Finanzminister Baden-Württembergs, und Sylvie Goulard, Präsidentin des Deutsch-Französischen Instituts (dfi) in Ludwigsburg, diskutierten mit Wambach unter der Moderation von Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, über Erfahrungen aus Baden-Württemberg, Frankreich und der EU. Das Grußwort zu Beginn der Veranstaltung übernahm Ann-Kristin Stetefeld, Mitglied des Vorstands der BW-Bank. Die BW-Bank war Gastgeberin und ist Förderkreismitglied des ZEW Mannheim. Bei der Veranstaltung ging es vor allem um die Frage, wie die Haushaltspolitik der Zukunft aussehen kann. Ein Thema, welches das Publikum, bestehend aus einer Vielzahl an Gästen aus Politik und Wirtschaft, sehr interessiert und zu dem das ZEW auch viele hochwertige Forschungsbeiträge vorweisen kann.
„Die Haushalte müssen ziel- und wirkungsorientierter werden. Gemeinsam mit Deloitte hat das ZEW Mannheim einen Baukasten mit Maßnahmen und Vorschlägen zu diesem Sachverhalt erstellt. Die Frage dabei ist immer: Wie misst man den Erfolg von politischen Maßnahmen?“, erklärte Achim Wambach in seinem Impulsvortrag. Eine stärkere Wirkungsorientierung der öffentlichen Haushalte würde einen Paradigmenwechsel darstellen: „Statt auf Ausgaben in Milliardenhöhe zu verweisen, müssten Politiker/innen dann stärker die konkrete Wirkung eines Programms belegen. Die Evaluierung der Maßnahmen ist also hochpolitisch.“
Sparen ist nicht die alleinige Lösung
„Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken. Dafür brauchen wir ein Gesamtpaket: Entlastung von Unternehmen durch die Abschaffung des Soli, Reform des Bürgergeldes für mehr Arbeitsanreize und eine Reform der Schuldenbremse, um Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen“, erklärt Danyal Bayaz. Die Einhaltung der Schuldenbremse einerseits und der Ausbau von erneuerbaren Energien andererseits sind laut Bayaz nicht unbedingt Widersprüche. Sein Ansatz: „Wir versuchen, Anreize zu setzen, statt einen strikten Sparkurs zu fahren. Ich glaube, dass die Anreize für notwendige, aber unbequeme Reformen derzeit nicht da sind. Dass Reformen dringend notwendig sind, sieht man zum Beispiel bei den Themen Rente oder Klima.“
Sylvie Goulard, ehemalige Vize-Präsidentin der Banque de France, sieht gerade auf europäischer Ebene die Schuldenbelastung als Gefahr: „Die Idee der Schuldenbremse ist gut, denn man handelt in gewissen Grenzen. Bei der notwendigen Infrastruktur haben Deutschland und die EU die Chance einer Ausnahme von der Schuldenregel unterschätzt.“ Bei Deutschland bedankt sich Goulard: „Ohne Deutschland hätten wir die Finanzkrise nicht so gut überstanden. In der Zukunft wird man in Europa aber mehr Geld in Militär stecken und gleichzeitig die grüne Transformation bewältigen müssen. Dazu wird sich Deutschland entsprechend verhalten müssen.“
Aufhebung der Schuldenbremse sinnvoll?
„Ist die Schuldenbremse in dieser Form noch richtig, oder sollte es Ausnahmen geben?“, fragt Joachim Dorfs. Nach Auffassung von Achim Wambach haben die Schuldenlast in Europa und die Rückzahlungsverpflichtungen für die einzelnen Länder ein hohes Niveau erreicht: „Ohne die wirtschaftliche Stabilität Deutschlands würde Europa in ein großes Problem rutschen. Wenn Deutschland zu viele Schulden aufnimmt, dann gerät auch die Stabilität des Euros in Gefahr. Nichtsdestotrotz hat Deutschland noch Spielräume für wichtige Investitionen.“ Eine Idee ist dabei, dass der Staat grüne Leitmärkte fördert, um die Transformation zu stärker voranzutreiben und dabei wirtschaftlich effizient zu bleiben.
Wie Haushalte effizienter werden
Auf Grundlage eines vom ZEW Mannheim sowie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte für das Bundesministerium der Finanzen (BMF) erarbeiteten Gutachtens hat der Bund die Ziel- und Wirkungsorientierung seiner Haushaltswirtschaft kontinuierlich weiterentwickelt und gestärkt. Das Gutachten enthält einen konkreten Leitfaden für den flächendeckenden Einsatz von Indikatoren und fordert den vermehrten Einsatz unabhängiger empirischer Evaluationsmethoden sowie die Förderung einer offenen Evaluationskultur. Das Bundeskabinett hat den Abschlussbericht zum Thema „Verbesserung der Wirkungsorientierung im Bundeshaushalt mit einem Schwerpunkt Nachhaltigkeit“ zur Kenntnis genommen.