Klimaziele: Auf das Wie kommt es an
StandpunktStandpunkt von ZEW-Präsident Achim Wambach zur Klimapolitik
Fast zeitgleich haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren European Green Deal und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine Pläne zu einer „Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft“ vorgestellt. Im Mittelpunkt beider Konzepte stehen verschärfte CO2-Einsparziele. Doch ob die europäische und deutsche Klimaschutzpolitik erfolgreich sein wird, wird sich nicht allein am Erreichen der Klimaziele zeigen.
In ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union hat von der Leyen viel Gewicht auf die Bewältigung der Klimakrise gelegt. Der Green Deal sieht unter anderem vor, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent wird. Wenige Tage zuvor hatte Altmaier seinen Vorschlag für eine Allianz von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat für Klimaneutralität und Wohlstand vorgestellt. Sein 20-Punkte-Programm umfasst jährliche Minderungsziele sowie die Klimaneutralität öffentlicher Einrichtungen bis 2035.
Das Zwei-Grad-Ziel setzt einen weltweiten Rückgang voraus
Die Politik in Europa will handeln, die Ansprüche sind ambitioniert und die Verhandlungen mit den gesetzgebenden Institutionen können nun beginnen. Bei allem Enthusiasmus sollten die Entscheiderinnen und Entscheider jedoch das Hauptziel nicht aus den Augen verlieren. Das Zwei-Grad-Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn ein weltweiter Rückgang der Emissionen gelingt. Die EU ist allerdings lediglich für etwa zehn Prozent der globalen Emissionen verantwortlich, Deutschland für etwa zwei Prozent. Europa kann dennoch einiges zum Erreichen des Zwei-Grad-Ziels beitragen. Ein Erreichen der EU-Klimaziele – komme, was wolle – hilft dabei weniger, ein smarter Weg zum Erreichen der Klimaziele hingegen mehr.
Den größten Ausstoß von CO2 – sowohl in der Produktion als auch beim Konsum – hat China vorzuweisen, etwa doppelt so viel wie Europa. Vor 2030 sei eher kein Rückgang absehbar, ist von Chinas Präsident Xi Jinping zu vernehmen. Ebenso ist von Indien in den nächsten Jahrzehnten viel zu erwarten – wirtschaftlich, aber auch an Treibhausgasemissionen. Damit diese und andere Länder ambitionierten Klimaschutz betreiben, muss dieser zwingend bezahlbar werden.
Klimafreundliche Technologie muss wettbewerbsfähig sein
Wie lassen sich Emissionen effizient einsparen? Welche neuen Klimaschutz-Technologien können entwickelt werden? Wie können diese anschließend weltweit schnell zur Verfügung stehen? Europa und Deutschland können hierzu wesentlich beitragen: Die deutsche Chemieindustrie, der Maschinenbau und der Automobilsektor nehmen eine Spitzenstellung in der Welt ein. Ihre Technologien können auch bei der Dekarbonisierung Standards setzen, aber nur, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben. Wenn als Konsequenz der EU-Klimapolitik Unternehmen außerhalb Europas, die mehr verschmutzen, an Marktanteilen gewinnen, ist keinem geholfen. Den europäischen Unternehmen und deren Mitarbeitern nicht, und dem Klima auch nicht. Auch der Anreiz anderer Länder, dem europäischen Weg zu folgen, würde Schaden nehmen. Neben den technischen sind auch organisatorische Innovationen notwendig: Wie etwa kann ein Emissionshandel organisiert werden, der alle Sektoren einschließt? Wie bekommt man Staaten, die unterschiedliche Interessen verfolgen, dazu, gemeinsam zu handeln? Auch hier sollte Europa als Vorbild vorangehen. Natürlich muss Europa dabei mehr CO2-Emissionen einsparen, doch auf das Wie wird es ankommen.
Die europäische Klimapolitik sollte daher konsequent die Effizienz von Maßnahmen sowie technische und organisatorische Innovationen in den Blick nehmen. Der „Klima- und Wirtschaftspakt“ von Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit seinen Überlegungen „zur Erreichung der Klimaziele und zur Erhaltung der Wirtschaftskraft“ geht in die richtige Richtung. Doch die Umsetzung wird entscheidend sein. Sind die verschiedenen Wirtschaftssektoren annähend gleich belastet oder gibt es Verzerrungen? Wie lässt sich Technologieoffenheit durchsetzen? Welche Emissionen werden nur verlagert statt vermieden? Ein effizientes Vorgehen, das im Ausland „kopierfähig“ ist, wird der Maßstab sein, an dem die europäische und deutsche Klimapolitik zu messen ist.
Dieser Beitrag ist in längerer Version am 13. Oktober 2020 im „Handelsblatt“ erschienen.