Neuaufteilung der Kompetenzen zwischen EU und Nationalstaaten verspricht Kostenersparnisse
ForschungAn Ideen für Europas Zukunft mangelt es nicht. Doch ein wesentlicher Streitpunkt bei vielen Reformplänen ist häufig die Kompetenzaufteilung zwischen Brüssel und den Nationalstaaten. Doch in welchen Politikfeldern könnte mehr und wo weniger Europa sinnvoll sein? Wo sollten die Nationalstaaten ihre Gestaltungskompetenzen besser einsetzen und in welchen Bereichen wäre eine zentrale Entscheidungsfindung in Brüssel zielführender? Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat dazu zentrale Politikfelder untersucht und zeigt: Kompetenzverlagerungen in beide Richtungen könnten Geld sparen und effizientere Entscheidungsfindungen ermöglichen.
Für die Studie wurden insgesamt acht Politikfelder untersucht: Agrarpolitik, Arbeitslosenversicherung, Asyl- und Flüchtlingspolitik, Bildungspolitik, Entwicklungspolitik, Schienen- und Güterverkehr, Unternehmensbesteuerung und Verteidigungspolitik. Die Wissenschaftler/innen haben dabei eine mögliche Neuaufteilung der Kompetenzen zwischen den Institutionen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten nach Effizienzgesichtspunkten in zwei Richtungen überprüft: Im Sinne einer möglichen verstärkten Verantwortung der europäischen Ebene als auch mit Blick auf eine erweiterte Zuständigkeit der Nationalstaaten.
Im Ergebnis der Studie zeigen sich Effizienzgewinne bei einer erweiterten Kompetenz der EU vor allem in den Bereichen Verteidigung, Asyl- und Entwicklungspolitik sowie Unternehmensbesteuerung. Hier ist ein konkurrierendes Nebeneinander hinderlich, da in diesen Politikfeldern sowohl ein einheitliches Auftreten gegenüber externen Partnern entscheidend ist, als auch gemeinsam auf externe Effekte wie Migration oder Sicherheitsrisiken reagiert werden muss.
Gemeinsame Regeln zur Unternehmensbesteuerung bieten sich auf EU-Ebene an
„Das derzeitige Nebeneinander von 28 verschiedenen Bemessungsgrundlagen erleichtert es internationalen Konzernen, EU-Staaten in einen Wettbewerb um die vorteilhaftesten steuerlichen Regelungen gegeneinander auszuspielen und Gewinne, zum Beispiel mithilfe von Lizenzverträgen und Abgabesystemen, in das Land mit der jeweils geringsten Unternehmensbesteuerung zu transferieren“, erklärt Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ sowie Mitautor der Studie. Darüber hinaus ist es den EU-Ländern aufgrund fehlender einheitlicher Datenbestände nicht ohne weiteres möglich festzustellen, ob und in welchem Umfang in anderen EU-Ländern bereits Steuern bezahlt wurden.
Die Agrarpolitik hingegen wäre laut Studie unter Effizienzaspekten besser auf nationaler Ebene angesiedelt. Die Subventionen von Einkommen für Bauern und Agrarbetriebe durch die „Gemeinsame Agrarpolitik“ (GAP) der EU verursachen deutlich überhöhte Kosten und liefern Fehlanreize, die sich oftmals ausschließlich an einer Maximierung von Subventionen orientieren. So übersteigt die Einkommensstützung durch die GAP in 21 von 28 Mitgliedstaaten das Niveau, wie es durch die Mindestabsicherung in den nationalen Sozialsystemen definiert ist.
Alle Politikfelder, für die der Studie zufolge eine Stärkung der EU-Ebene wichtig ist, sind nicht nur kostenintensiv, sondern vor allem auf einen nachhaltigen Beitrag Europas zur Sicherheit seiner Bürger/innen und zur Bekämpfung von Globalisierungshärten und sozialer Ungleichheit in der Welt ausgerichtet. Demgegenüber sind die anderen Politikfelder wie Agrar- oder Bildungspolitik weitaus enger, technokratischer und sektorspezifischer definiert, mit geringeren Kosteneinsparungen bei der Ansiedlung auf der EU-Ebene und einer geringeren Präferenz der Bürger/innen für die EU als verantwortliche Ebene.
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Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Telefon 0621/1235-149, E-Mail friedrich.heinemann@zew.de