Nobelpreisträger entzaubert die Eliten-Illusion
VeranstaltungsreihenJoshua Angrist zu Gast am ZEW bei „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“
Eliteschulen und -Universitäten üben auf viele Menschen eine magische Anziehungskraft aus. Starke Netzwerke, exzellente Lehrerinnen und Lehrer, vermeintlich bessere Karrierechancen und eine hohe Reputation sorgen dafür, dass sich viele junge Leute um die wenigen begehrten Plätze bemühen. Doch bringen einen elitäre Einrichtungen wirklich weiter? Darüber sprach Wirtschaftsnobelpreisträger Joshua Angrist, Ford-Professor für Ökonomie am Massachusetts Institute of Technology (MIT), mit ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD am 27. März im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“. Die vom ZEW-Förderkreis unterstützte und in Kooperation mit der Abteilung Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim ausgerichtete Veranstaltung fand in der dortigen Aula statt, die mit 400 Gästen voll besetzt war.
Angrist, der 2021 mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet wurde, startete mit seinem facettenreichen Vortrag zum Thema „Escaping the Elite Illusion“. Darin entlarvte er den Mythos, dass elitäre Bildungseinrichtungen automatisch wirtschaftlichen Erfolg brächten. Er zeigt, warum viele Eltern enorme Opfer dafür bringen – und wie man sich von dieser „Elite-Illusion“ nicht täuschen lassen sollte.
Schüler entscheidender als Schule
Er selbst sei sehr glücklich, am MIT zu lehren, und wisse selbst, dass es enorme Anstrengungen braucht, um als Studentin oder Student am MIT angenommen zu werden. Daher stellte er einst sich selbst und auch seinen Studierenden die Frage, ob MIT-Absolventen/-innen deshalb erfolgreich sind, weil sie am MIT waren: Viele Studierende bejahten diese Frage, lernten jedoch von ihm, dass dies eine Illusion sei – die sogenannte Eliten-Illusion.
Zwar stimme es, dass Alumni von Elite-Universitäten und -schulen später mehr verdienen als die von staatlichen Einrichtungen. Allerdings liege das nicht an der Qualität der Institutionen, sondern an den Schülerinnen und Schülern selbst. Um von Eliteeinrichtungen aufgenommen zu werden, müssten sie vorab schwierige Aufnahmeprüfungen bestehen. Dadurch erlangten nur überdurchschnittlich leistungsfähige Bewerber/innen einen der begehrten Plätze.
Korrelation ist nicht Kausalität
Dazu verglich Angrist die Leistungen von Personen, die gerade so die Aufnahmeprüfung einer Eliteeinrichtung geschafft haben, mit denen, die knapp an der Hürde gescheitert waren. Dies ergebe zwei Gruppen mit einem de facto vergleichbaren Leistungsniveau. Während die eine untersuchte Gruppe private Eliteeinrichtungen besuchte, ging die andere Gruppe auf öffentliche Bildungsstätten. Schaue man sich anschließend deren spätere Karriereverläufe an, würden beide Gruppen in ähnlichen Positionen – auch hinsichtlich des Gehalts – arbeiten. Das zeige, dass es zwar eine Korrelation zwischen dem Besuch einer Eliteeinrichtung und dem späteren Erfolg gebe, diesem aber kein Kausalzusammenhang zugrunde liege.
Ökonometrie macht den Unterschied
Sein ökonometrischer Ansatz mache für Angrist den Unterschied aus. Mit ihm könne man Vermutungen testen und Illusionen entzaubern. Auf Ökonometrie ging auch Achim Wambach in der anschließenden und fachlich tiefgehenden Diskussion ein. Man müsse wissen, welche die richtigen Variablen sind, wozu aber auch eine große Disziplin gehöre, dies zu verfolgen.
Das Gespräch widmete sich auch Angrists Leben nach dem Nobelpreis: Sei er nun zum öffentlichen Intellektuellen geworden? Nein, entgegnete Angrist. Zwar hätten die Medienanfragen zugenommen. Jedoch äußere er sich weiterhin nur zu seiner Arbeit und nicht zu fachfremden Themen. Schließlich habe er nach dem Nobel-Preis nicht den Beruf gewechselt.