Reform der Ratingagenturen - "EU-Vorschläge zur Regulierung der Ratingagenturen tragen zur Lösung zentraler Probleme bei"

Nachgefragt

Ratingagenturen gelten als mitschuldig an der Finanzkrise, da sie hochspekulative Wertpapiere lange Zeit zu positiv bewertet haben. Darüber hinaus stehen sie im Rahmen der europäischen Schuldenkrise in der Kritik, da sie die Bonität verschiedener Länder herabstuften und diese dadurch zusätzlich unter Druck gerieten. Nun hat die EU Kommission Vorschläge zur Regulierung der Ratingagenturen vorgestellt. Prof. Dr. Michael Schröder bewertet die geplanten Maßnahmen.

Prof. Dr. Michael Schröder leitet am ZEW den Forschungsbereich Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement. Seine Forschungsschwerpunke sind insbesondere die empirische Kapitalmarktanalyse, Erwartungsbildung auf Finanzmärkten, nachhaltige Kapitalanlagen sowie Vermögensmanagement. Im Jahr 2009 wurde er an der Universität Stuttgart habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für Betriebswirtschaftslehre. Schröder lehrt an der Frankfurt School of Finance & Management im Bereich Asset Management.

Ist der Europäischen Kommission der große Wurf gelungen, um die Macht der Ratingagenturen zu beschränken?

Insgesamt stellen die Vorschläge der EU-Kommission einen großen Schritt hin zu einer wirksamen Regulierung von Ratingagenturen dar und tragen zur Lösung zentraler Probleme bei. So ist die angestrebte Verminderung der Bedeutung von externen Ratings für Banken und andere institutionelle Investoren ein sehr sinnvoller Ansatz. Es ist zu hoffen, dass die entsprechenden Regeln, etwa von Basel III und Solvency II, angepasst werden und die Investoren damit eine größere Eigenverantwortung bei der Beurteilung von Ausfallsrisiken erhalten. Auch die Herstellung größerer Transparenz bei Länderratings ist ein nützlicher Vorschlag. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Einführung einer Haftung von Ratingagenturen letztlich nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch in der Praxis angewendet werden wird. Hier sind Zweifel angebracht.

Welchen Reformvorschlag halten sie außerdem für wichtig?

Nach Vorstellung der EU soll die European Securities and Markets Authority, eine der 2011 eingerichteten europäischen Finanzaufsichtsbehörden, unter anderem als Grundlage für die Ratings der Agenturen einheitliche Bewertungsskalen erarbeiten. Dies würde den Vergleich von Ratings erleichtern. Allerdings ist es hierbei von großer Bedeutung, von Anfang an den Erfordernissen für die nachträgliche Überprüfung der Güte der Ratings Rechnung zu tragen. Hilfreich wäre beispielsweise, die Ratingagenturen dazu zu verpflichten, durch die Angabe von Ausfallwahrscheinlichkeiten ihre Ratingaussagen zu konkretisieren.

Welche der vorgeschlagenen Maßnahmen geht Ihnen nicht weit genug?

Das Problem, dass Ratingagenturen aufgrund ihrer Bezahlung durch die Emittenten von Finanzprodukten Anreize haben könnten, ganz im Sinne des Emittenten, zu positive Ratings für solche Finanzprodukte abzugeben, um Folgeaufträge wahrscheinlicher zu machen, wird in den von der Kommission eingebrachten Vorschlägen nicht direkt angegangen. Der Vorschlag, ein Rotationsverfahren einzuführen, bei dem die Emittenten alle drei Jahre eine neue Ratingagentur beauftragen müssen, dürfte zwar das Oligopol der drei großen Ratingagenturen aufbrechen und auch kleinere Agenturen häufiger ins Spiel bringen. Ob allerdings die grundsätzlichen Fehlanreize, die durch das Bezahlsystem ausgelöst werden, dadurch wirklich vermindert werden, darf bezweifelt werden.

Lange war im Gespräch, Bonitätsnoten für Länder in Not zeitweilig auszusetzen. Dieses Ratingverbot hat die EU nun nicht weiter verfolgt. Wie bewerten sie das?

Erfreulicherweise wurde die Absicht, die Veröffentlichung von Länderratings zeitweise auszusetzen, nicht umgesetzt. Ein solches Verbot hätte die Informationsbasis von Investoren deutlich verschlechtert und die Fähigkeit des Kapitalmarktes, hochverschuldete Staaten zu disziplinieren, einschränkt.