Risiko für Altersarmut in Deutschland steigt bis 2036 weiter
ForschungDas Altersarmutsrisiko in Deutschland wird bei normaler Entwicklung von Beschäftigung und Zinsen in den kommenden zwanzig Jahren weiter steigen und dann rund ein Fünftel aller Personen im Alter von 67 Jahren betreffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat.
Unbefristete Jobs und eine langjährige Bindung an den Arbeitsplatz – dieses Arbeitsmodell ist nicht mehr selbstverständlich. Vielmehr gehören Minijobs, längere Phasen der Erwerbslosigkeit und niedrige Löhne für eine zunehmende Anzahl von Arbeitnehmern/-innen mittlerweile zum Alltag. Auf diese Situation ist das deutsche Rentensystem nicht ausreichend vorbereitet. Bis 2036 wird das Risiko für Altersarmut daher weiter steigen. Auch der Anteil von 67-Jährigen, die Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben werden, wird weiter wachsen und im Jahr 2036 bei rund sieben Prozent liegen. Doch viele der aktuell diskutieren Reformvorschläge können den Trend steigender Altersarmut nicht umkehren, da sie nicht zielgenau auf die Risikogruppen und die Ausbreitung des Niedriglohnsektors eingehen. Das sind die Ergebnisse der Untersuchung von ZEW und DIW zur Altersarmut, die auf Grundlage repräsentativer Haushaltsdaten die Alterseinkommen aus gesetzlicher, privater und betrieblicher Altersvorsorge von 2015 bis 2036 prognostiziert.
Die Analyse bis zum Jahr 2036 liefert erstmals auch Erkenntnisse über den Verlauf der Altersarmut der geburtenstarken Jahrgänge, der sogenannten Babyboomer, die ab 2022 in Rente gehen werden. Laut Studie wird das Risiko der Altersarmut bis 2036 auf 20 Prozent steigen (2015: 16 Prozent). Damit wäre zukünftig jeder fünfte deutsche Neurentner (ab 67 Jahren) von Altersarmut bedroht. Als armutsgefährdet gelten Rentner laut Studie dann, wenn ihr individuelles monatliches bedarfsgewichtetes Netto-Haushaltseinkommen im Jahr 2014 unter 958 Euro (60 Prozent des Medians des entsprechenden Einkommens der Gesamtbevölkerung) liegt. Parallel prognostizieren die Autoren der Studie einen weiteren Anstieg der Grundsicherungsquote: sieben Prozent der Neurentner könnten zukünftig auf staatliche Unterstützung angewiesen sein (2015: 5,4 Prozent), weil ihr Einkommen nicht für den Lebensunterhalt ausreicht.
Risiko zur Altersarmut bei alleinstehenden Frauen rund viermal so hoch
Alleinstehende Frauen, Langzeitarbeitslose und Niedrigqualifizierte haben insgesamt das größte Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein. Fast jede dritte alleinstehende Neurentnerin könnte zukünftig auf Grundsicherung angewiesen sein. Für sie steigt die Grundsicherungsquote zwischen 2015 und 2036 von 16 auf fast 28 Prozent. Damit ist das Risiko zur Altersarmut bei alleinstehenden Frauen rund viermal so hoch wie im Durchschnitt (7 Prozent). Bei Langzeitarbeitslosen steigt die Grundsicherungsquote von rund 19 auf 22 Prozent, bei Menschen ohne Berufsausbildung von zehn auf 14 Prozent. Auch zwischen Ost-und West gibt es starke Unterschiede. Für Rentner aus den neuen Bundesländern verdoppelt sich das Risiko zur Altersarmut von fünf auf elf Prozent. In den alten Bundesländern wird die Grundsicherungsquote hingegen nur auf sechs Prozent steigen (2015: 5,5 Prozent). Das geringste Risiko zur Altersarmut haben Personen, die mindestens 35 Jahre in Vollzeit erwerbstätig waren (Grundsicherungsquote 2036: 1,8 Prozent).