Schritte zu einer Wirtschaftsordnung für die digitale Ökonomie

Standpunkt

ZEW-Präsident Achim Wambach zur Regulierung dominanter Plattformunternehmen

ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD vertritt den Standpunkt, dass Unternehmen bei Kooperationen auf sich rasch verändernden Märkten Rechtssicherheit brauchen.

Gutachter in Brüssel, Canberra, Chicago, London und jetzt auch in Berlin mit der Kommission „Wettbewerbsrecht 4.0“ haben Vorschläge erarbeitet, wie die Wettbewerbsordnung angesichts der Herausforderungen der digitalen Ökonomie weiterentwickelt werden soll. Behörden in aller Welt, mittlerweile auch in den USA, gehen verstärkt gegen marktmächtige Internetunternehmen vor und Gesetzgeber passen ihre Wettbewerbsgesetze an die Digitalisierung an. So läuft in Deutschland aktuell die Ausarbeitung der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in der digitale Themen, wie bereits in der 9. GWB-Novelle, eine große Rolle spielen. Aus der Vielzahl der Aktivitäten bilden sich Leitlinien für eine Wirtschaftsordnung für die digitale Ökonomie heraus.

Eine zentrale Frage ist die nach dem richtigen Umgang mit marktbeherrschenden Internetunternehmen. Die Giganten der Digitalökonomie sind „here to stay“. Das hat Konsequenzen für die Wettbewerbspolitik. Bislang lag der Fokus auf der Wettbewerbsaufsicht, insbesondere der Missbrauchsaufsicht. Die anhaltende Dominanz der Unternehmen sowie die eingeschränkte Durchschlagskraft der Auflagen deuten darauf hin, dass die Missbrauchsaufsicht in der digitalen Ökonomie an ihre Grenzen stößt. Daher muss konsequenter als bisher über eine Regulierung dieser dominanten Plattformunternehmen nachgedacht werden. So sollen nach den Plänen zur 10. GWB-Novelle Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ besonderen Regeln unterworfen werden, etwa der Untersagung von selbstbegünstigendem Handeln.

Daten nutzen sich bei Gebrauch nicht ab. Dies spricht dafür, dass Daten weitgehend zugänglich gemacht werden sollen. Hingegen muss ein solcher Datenzugang gegen Datenschutzbedenken, die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sowie Anreize zur Generierung von Daten abgewogen werden. Dennoch, der Schwerpunkt der Maßnahmen verschiebt sich derzeit vermehrt auf den Datenzugang. Wettbewerbsbehörden etwa prüfen bei Missbrauchsfällen, ob ein Datenzugang als Auflage dazu führen könnte, Märkte wieder zu öffnen.

Plattform- und Datenökonomie betrifft auch etablierte Unternehmen

Die 10. GWB-Novelle sieht vor, dass nicht nur die Verweigerung des Zugangs zu physischen Infrastruktureinrichtungen, sondern auch zu Daten einen Marktmachtmissbrauch darstellen kann. Es wäre hilfreich, marktbeherrschenden Plattformunternehmen die Pflicht aufzuerlegen, die Daten, die sie nach der Datenschutzgrundverordnung ihren Kunden auf Anfrage zur Verfügung stellen müssen, in Echtzeit zu übermitteln. Damit könnten um die Plattformen herum neue Geschäftsmodelle entstehen, die auf diese Daten zugreifen. Die Plattform- und Datenökonomie betrifft nicht nur Unternehmen der Digitalwirtschaft, sondern vermehrt auch etablierte Unternehmen. Um die Chancen der technologischen Marktveränderungen zu nutzen, müssen diese Unternehmen mit neuen Möglichkeiten experimentieren und arbeiten können und dies auch in Kooperation mit anderen.

Über die neuen Formen der Zusammenarbeit liegt allerdings noch wenig Erfahrung vor. Und es ist oft schwierig, vorauszusehen, wie die Wettbewerbsbehörden eine Zusammenarbeit im Einzelfall einschätzen würden. Die Zurückhaltung etablierter Unternehmen im digitalen Bereich miteinander zu kooperieren, ist angesichts dieser Rechtsunsicherheit verständlich, aber misslich. Besser wäre es, wenn die EU-Kommission ein freiwilliges Anmeldeverfahren für neuartige Formen der Kooperation in der Digitalwirtschaft anbieten würde, sodass Unternehmen zeitnah eine rechtssichere Rückmeldung bekommen, ob die angezeigte Kooperation zulässig ist. Auch in der 10. GWB-Novelle sind Schritte in diese Richtung geplant.

Der wirtschaftliche Ordnungsrahmen passt sich zunehmend an die digitale Ökonomie an: Regulierung der dominanten Plattformunternehmen, erweiterter Zugang zu Datenbeständen sowie die Ermöglichung neuer Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen. Da sich die digitale Ökonomie nach wie vor rasant entwickelt, werden die eingangs erwähnten Kommissionen dazu sicherlich nicht die letzten gewesen sein.

Dieser Beitrag ist zuerst in längerer Fassung am 22. Oktober 2019 in der Zeitung
„Die Welt“ erschienen.

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