„Steuerwettbewerb ist kein Naturgesetz, das in Stein gemeißelt ist“

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#ZEWBookTalk mit UC Berkeley Associate Professor Gabriel Zucman

UC Berkeley Associate Professor Gabriel Zucman im Austausch während des #ZEWBookTalk mit ZEW-Präsident Professor Achim Wambach.

Zahlen alle US-Amerikaner/innen einen fairen Steueranteil? Mitnichten – es gebe vielmehr eine massive Ungleichheit bei der Besteuerung durchschnittlicher Arbeitnehmer/innen und der Besteuerung von Vermögenden insbesondere der Superreichen, so die Antwort von UC Berkeley Associate Professor Gabriel Zucman. Am 10. März 2021 stellte der Ökonom sein neues Buch „The Triumph of Injustice: How the Rich Dodge Taxes and How to Make Them Pay“ virtuell am ZEW Mannheim vor, das er gemeinsam mit Emmanuel Saez verfasst hat. Zucman leitet auch die neu geschaffene EU Steuerbeobachtungsstelle, die 2021 die Arbeit aufnimmt. ZEW-Präsident Professor Achim Wambach moderierte den dritten #ZEWBookTalk.

Video zum #ZEWBookTalk​ mit Gabriel Zucman

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„Wie viel Steuern bezahlen die verschiedenen Einkommensgruppen in den USA?“, fragte Gabriel Zucman zu Beginn seines Vortrags. Seit der Steuerreform von US-Präsident Donald Trump zahlen US-Milliardäre erstmals niedrigere Steuersätze als durchschnittliche Arbeitnehmer/innen. Der effektive Steuersatz der 400 reichsten Amerikaner/innen liegt aktuell bei 23 Prozent – inklusive der von ihnen gezahlten Körperschaft- und Grundsteuer. Arbeiter- und Mittelschicht bezahlen hingegen einen Steuersatz zwischen 25 und 30 Prozent. „Entgegen der weit verbreiteten Ansicht ist das Steuersystem der USA derzeit nicht progressiv. Vielmehr gibt es eine Flat Tax mit regressiver Wirkung bei den Superreichen“, erklärte Zucman den rund 200 Zuschauer/innen des Livestreams.

Warum bezahlen Vermögende in den Vereinigten Staaten derart geringe Steuern? Dies liege zum einen daran, dass Kapitaleinkünfte nur sehr niedrig besteuert werden. Zum anderen erhöhe sich das Vermögen der Reichen fast ausschließlich aufgrund des Wertzuwachses ihrer Aktien sowie Firmenanteile und dieser Zuwachs bleibe in den USA einkommensteuerfrei. Die Lohnsteuer bei den durchschnittlichen Arbeitnehmer/innen sei hingegen über die Jahre gestiegen und zudem belasten die Verbrauchsteuern die niedrigen Einkommen erheblich stärker als die hohen Einkommen. Besonders kritisch sieht Zucman den schleichenden Verfall der Unternehmensbesteuerung in den USA. „Während der Anteil der Körperschaftsteuer am staatlichen Steueraufkommen seit den 1950iger Jahren drastisch gesunken ist, ist der Anteil der persönlichen Einkommensteuer weitgehend gleich geblieben.“

Wie sieht ein zeitgemäßes demokratisches Steuersystem aus?

Im weiteren Verlauf seines Vortrags entwickelte Zucman Ideen für ein gerechtes demokratisches Steuersystem mit dem Ziel, einer zu weit gehenden Vermögensakkumulation bei den Reichen entgegenzuwirken. „Denn sehr große Vermögen“, so der Ökonom, „bedeuten eben auch einen überproportional hohen Einfluss und große Macht, was der Demokratie abträglich sein kann.“ Als erstes schlug er vor, die Globalisierung mit Steuergerechtigkeit zu verknüpfen. Es müsse ein Plan erarbeitet werden, um die Steuerflucht von Unternehmen zu unterbinden und den zerstörerischen Steuerwettbewerb zwischen den Staaten zu stoppen – nicht nur in den USA. „Der internationale Wettbewerb, Unternehmen mit niedrigen Unternehmenssteuern zu ködern, wird oft als im Rahmen der Globalisierung nicht verhinderbar dargestellt. Dem ist nicht so. Ein negativer Steuerwettbewerb ist kein Naturgesetz, das in Stein gemeißelt ist.“ Zukünftige Verhandlungen, etwa bei Handelsabkommen, müssten unbedingt auch Steuerabkommen beinhalten. Möglich wäre beispielsweise die Festsetzung einer Untergrenze für die Unternehmensbesteuerung von 25 Prozent als Voraussetzung für eine weitere Liberalisierung des Handels. Gleichzeitig könnten Sanktionen als Verteidigungsmechanismen für nicht-kooperative Steueroasen in Kraft gesetzt werden. Dass dies funktioniere, zeige das Beispiel der Schweiz.

Mit Blick auf das amerikanische Steuersystem mahnte Zucman an, zu einer progressiven Besteuerung zurückzukehren, wie es sie früher gegeben hat. Der Entwicklung der vergangenen vierzig Jahre, in denen die Reichen zunehmend reicher, die ärmsten Einkommensbezieher dagegen immer ärmer geworden seien, müsse entgegengewirkt werden. Ein zeitgemäßes demokratisches Steuersystem muss laut Zucman erneut auf eine stärkere Besteuerung von Reichtum setzen. Ziel sei dabei nicht nur, extremes Vermögenswachstum einzudämmen, sondern auch Einnahmen für den US-Sozialstaat zu generieren. Dies könne etwa gelingen durch eine Vermögenssteuer von zwei Prozent für alle Amerikaner/innen mit mehr als 50 Millionen US-Dollar Vermögen. Für alle mit einem Besitz über einer Milliarde würde die Besteuerung drei Prozent betragen. „Solch eine Vermögenssteuer von zwei bis drei Prozent kann die Ungleichheit beim US-Vermögen auf einem Niveau wie 1980 stabilisieren“, sagte der UC Berkeley-Ökonom.

In der anschließenden Diskussion mit ZEW-Präsident Achim Wambach ging es unter anderem um die Frage, ob es einen internationalen Steuerwettbewerb nicht braucht, weil manche Staaten außer niedrigen Steuern nur wenig zu bieten haben. Debattiert wurde zudem, welche Vorteile Europa aus der Unterbindung von Steuerflucht beziehungsweise von Gewinnverschiebungen in Steueroasen hätte, wie eine faire Besteuerung aussehen könnte und ob eine Vermögenssteuer für Deutschland sinnvoll sein könnte. Das Fazit Zucmans zum Ende der Veranstaltung war, dass es keine äußeren oder technischen Zwänge gibt, die Steuergerechtigkeit unmöglich machen. Die Duldung von Steuervermeidung sei vielmehr eine politische Entscheidung. Es gebe für die Politik allerdings eine Vielzahl an möglichen Wegen zu einer fairen Besteuerung. Wir müssten nur einen davon gehen.

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