Warum das neue VIPS-Konzept erfolgreich sein kann? Verlustobergrenzen für Gläubiger durch VIPS verlässlich einschätzbar

Nachgefragt

Prof. Dr. Friedrich Heinemann

Mit dem VIPS-Konzept (Viable Insolvency Procedure for Sovereigns) schlägt das ZEW einen geregelten Umschuldungsmechanismus vor für den Fall, dass ein Euro-Land seine Schulden nicht mehr bedienen kann. ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann hat VIPS mitentwickelt und erläutert, warum das Konzept funktionieren kann.

PD Dr. Friedrich Heinemann ist Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW. Darüber hinaus lehrt er Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der empirischen Finanzwissenschaften. Er untersucht ferner Fragestellungen des Fiskalwettbewerbs und Föderalismus in Europa. Auch die Determinanten der Reformfähigkeit von Staaten und Gesellschaften gehören zu seinen Forschungsgebieten.

Welche Anreize bietet das vom ZEW entwickelte VIPS-Konzept den Mitgliedsländern der Europäischen Währungsunion, sich auf die vorgeschlagene feste Insolvenzordnung tatsächlich einzulassen?

Ein klar definiertes Insolvenzverfahren kann zu stabilen Bedingungen an den Märkten für Euro-Staatsanleihen beitragen. Ohne ein solches Verfahren weiß kein Investor, welche Verluste er im Fall der Fälle einer Staatspleite erleiden muss. Unser VIPSVerfahren hilft, die Obergrenze möglicher Verluste zuverlässig einzuschätzen. Das kann helfen, Panikschübe zu vermeiden.

Neu bei VIPS ist unter anderem dass das Konzept sehr langfristig angelegt ist, es also eine Übergangsphase von bis zu 16 Jahren geben soll, bis die beschriebene Insolvenzordnung vollständig in Kraft tritt. Läuft der Vorschlag vor diesem Hintergrund nicht auch Gefahr, von Nachfolgeregierungen in der Zukunft wieder verworfen zu werden?

Ist VIPS mit seinen Übergangsregeln erst einmal im ESM-Vertrag fest verankert, ist es sehr schwierig, den Gang der Dinge noch aufzuhalten. Denn jeder spätere Eingriff würde wieder die einstimmige Entscheidung aller Vertragsstaaten erfordern. Ein einzelnes Land kann zwar aus dem ESM-Vertrag ausscheiden – dann hätte dieses Land aber auch keinen Anspruch mehr auf Krisen-Hilfen.

Sie beschäftigen sich intensiv mit der Reformfähigkeit und der Reformwilligkeit von Staaten bzw. Gesellschaften. Wie bewerten Sie die Chancen, dass sich die Euro-Länder auf VIPS oder einen ähnlichen Umschuldungsmechanismus einigen können?

Nicht schlecht. Die Regierenden, die VIPS heute zustimmen,wären längst im Ruhestand, wenn das Konzept vollständig in Kraft tritt. Das macht die Zustimmung heute leichter.