Wege zu einem besseren Versicherungsschutz gegen Hochwasserschäden

Kommentar

ZEW-Präsident Achim Wambach und Umweltökonom Daniel Osberghaus zur Hochwasser-Vorsorge

ZEW-Präsident Achim Wambach und Umweltökonom Daniel Osberghaus empfehlen, eine mögliche Pflichtversicherung ökonomisch klug zu gestalten.

Die verheerende Flutkatastrophe mit über 180 Todesopfern und ökonomischen Schäden in Milliardenhöhe hat erhebliche Defizite bei der Absicherung von Elementarrisiken offen gelegt. Wie es gelingt, eine flächendeckende Versicherung gegen Hochwasser in Deutschland zu etablieren.

Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands ist eine menschliche Tragödie mit einer Vielzahl von Toten sowie zerstörten Häusern, Geschäften und Unternehmen. Zahlreiche Existenzen sind ruiniert. Der Wiederaufbau der betroffenen Regionen wird Monate und Jahre dauern. Es ist zwingend und richtig, dass der Staat Menschen in diesen existentiellen Notlagen hilft und auch finanzielle Unterstützung in Form von Soforthilfe und Wiederaufbauhilfe leistet. Als Blaupause für den Umgang mit zukünftigen Naturkatastrophen darf dies allerdings nicht dienen.

Die staatliche Hilfe ist auch deshalb notwendig, weil sich weniger als 50 Prozent der Haushalte privat gegen Hochwasser versichert haben. Diese unvollständige Versicherungsabdeckung wirft aber eine Reihe von Problemen auf: So kann die aktuelle Kombination von privater Versicherung und staatlichen Ad-hoc-Hilfen als unfair empfunden werden – der Staat unterstützt in der Regel diejenigen, die sich nicht versichert hatten, während andere, die jahrelang Prämien zahlten, keine oder nur geringe staatliche Hilfe erhalten.

Zudem weist der indirekte Versicherungsschutz durch den Staat große Lücken auf: Aufbauhilfe wird in der Regel nur nach extrem schadenträchtigen Ereignissen beschlossen, die viele Menschen betreffen. Beträchtliche Schäden für den einzelnen Haushalt können aber auch bei einem lokalen Starkregen ohne bundesweite Berichterstattung entstehen. Aller Erfahrung nach würde der Staat hier nicht einspringen.

Neben der Unsicherheit fehlen Anreize für eine langfristige Vorsorge, wie empirische Studien zeigen: Private Haushalte schließen seltener eine Versicherung ab, wenn der Staat umfangreiche Hilfen zahlt. Hier liegt das Dilemma mit dem die Politik nach größeren Hochwasserereignissen regelmäßig konfrontiert ist: Soforthilfen und Wiederaufbauhilfen sind zwar politisch und menschlich geboten, reduzieren langfristig jedoch die Vorsorge gegen zukünftige Schäden – in der Forschung ist dies bekannt als das „Dilemma des Samariters“.

Auch Kommunen handeln hier nicht anders als Verbraucher/innen. Rechnen sie im Notfall mit Finanzhilfen von Land und Bund, sinkt ihr Anreiz zu städtebaulichen Maßnahmen wie der Begrenzung von Versiegelung, der Ausweisung von Bauland und der Unterhaltung von Hochwasserdämmen.

Was zu tun ist

Bisherige Bestrebungen der Länder, die Privathaushalte zu einem vermehrten Abschluss von Versicherungen zu bewegen, waren nicht erfolgreich. So hatten NRW und Bayern explizit beschlossen, dass Schäden, die zu vertretbaren Kosten versichert werden können, grundsätzlich nicht soforthilfefähig sind. Angesichts der Schwere der jetzigen Krise und der Not der Menschen ließ sich diese Linie nicht durchhalten. Zusätzlich hatten viele Bundesländer mit Kampagnen zur Versicherung gegen Hochwasserschäden aufgerufen. Diese entfalten jedoch nur unzureichende Wirkung, wie wir in unserer Forschung belegen.

Überdies schätzen viele Haushalte ihren Versicherungsstatus falsch ein. So denken 70 Prozent der Haushalte, sie hätten mit ihrer Gebäudeversicherung gegen Hochwasser vorgesorgt, während de facto nur knapp 50 Prozent eine entsprechende Elementardeckung abgeschlossen haben. Aufklärung und Information im Rahmen von Kampagnen hat also nicht zu mehr Vorsorge geführt – auch wenn dies zu erwarten gewesen wäre.

Eine kleine Änderung der Versicherungsverträge könnte vielleicht helfen. Sähen Versicherungsanträge die so wichtige Elementarschadendeckung standardmäßig vor, würden sich mehr Menschen besser absichern. Anstatt wie bisher die Elementarschadendeckung aktiv dazu zu buchen, müssten die Kundinnen und Kunden den Schutz dann explizit ausschließen. Dieses Instrument – der Wechsel vom Opt-in zum Opt-out – ist in anderen Bereichen wie etwa der betrieblichen Altersvorsorge sehr erfolgreich. Hierzu müsste die Versicherungsindustrie koordiniert vorgehen.

Wenn Pflichtversicherung, dann klug gestaltet

Eine Pflichtversicherung wäre hingegen ein einschneidender Markteingriff, der jedoch prominente Unterstützer wie den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann hat. Alle privaten Hauseigentümer/innen müssten sich gegen Elementarschäden versichern und die Versicherungswirtschaft jedem Haushalt auch ein Angebot machen. Diese könnte als Basisversicherung mit begrenzter Deckung gestaltet werden, die Hochwasserschäden nur bis zu einer bestimmten, existenzsichernden Höhe kompensiert. Dies würde zusätzliche Ad-hoc-Hilfen aus der Staatskasse obsolet machen. Darüber hinaus gehende Werte könnten die Hausbesitzenden freiwillig versichern.

Die Beiträge für eine solche Pflichtversicherung sollten weiterhin nach Risikoklassen und möglichst auch nach baulichen Vorsorgemaßnahmen gestaffelt sein, um Anreize zur Vorsorge zu schaffen. Es gibt hierbei jedoch einige Fallstricke, die zu beachten wären:

Hauseigentümer/innen in Hochrisikozonen, wie die von Wasser umspülte Passauer Altstadt, müssen sehr hohe Beiträge zahlen, wenn der Versicherer kostendeckend arbeiten soll – mitunter erhalten sie bisher auf dem freien Markt überhaupt keine Versicherung gegen Hochwasser. Abhilfe schaffen könnte hier eine Pflichtversicherung mit angemessenen und bezahlbaren Preisen. Jedoch braucht es dafür eine Kombination aus Selbstbehalt, Auflagen zur baulichen Vorsorge und einem Transfer aus einem staatlichen Fonds für Hochrisikogebiete. Eine solche Subventionierung hoher Risiken sollte jedoch auf bestehende Gebäude beschränkt bleiben – die Pflichtversicherung darf keinen Anreiz bieten, in Flussauen zu bauen.

Ein weiteres Problem der Pflichtversicherung sind mögliche Fehlanreize für Städte und Gemeinden, beim Hochwasser-Schutz zu sparen. So wird argumentiert, Kommunen investierten bei völligem Versicherungsschutz der Privathaushalte zu wenig in Deiche, Rückhaltebecken oder mobile Schutzwände. Eine Lösung lässt sich von den USA abschauen: Der Preis für die Hochwasser-Versicherung könnte von der kommunalen Vorsorge abhängen. In den Vereinigten Staaten erhalten Einwohner/innen Beitragsrabatte, wenn ihre Stadt oder Gemeinde gute kommunale Vorsorge betreibt. So entsteht politischer Druck auf die Kommunen, Deiche zu unterhalten, Versiegelung zu begrenzen, und die Eigenvorsorge ihrer Bürger/innen zu stärken.

Eine Pflichtversicherung ist ein weitgehender Eingriff in den Markt und sollte nur erfolgen, wenn weniger invasive Instrumente nicht zur Verfügung stehen. Deutschland hat jedoch klaren Nachholbedarf beim Hochwasser-Schutz, und die bisher erfolgten Maßnahmen waren nicht erfolgreich. Die jetzige Hochwasserkatastrophe wird nicht die letzte gewesen sein. Ob die sanftere Option, eine Änderung der Versicherungsanträge, ausreichen würde, ist umstritten. Ein runder Tisch mit Vertretern/-innen aus Versicherungswirtschaft, Verbraucherschutz, Wissenschaft und anderen Interessensgruppen könnte helfen, angemessene Maßnahmen für eine höhere Versicherungsdichte zu bestimmen. Die ökonomischen Konzepte hierfür liegen vor.

Dieser Beitrag ist zuerst am 3. August 2021 im Mannheimer Morgen erschienen.

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