Wie die Wissenschaft noch besser zum Klimaschutz beitragen kann

Standpunkt

Standpunkt des ZEW-Präsidenten Achim Wambach und Axel Ockenfels, Professor an der Universität zu Köln

Die Wissenschaft kann mit ihrem Wissensfortschritt zum Klimaschutz beitragen – und zugleich Vorbild sein für rationale und effektive Klimamaßnahmen.

Die Wissenschaft sollte Vorbild sein für rationale und effektive Klimaschutzmaßnahmen. Wissenschaft und Politik sollten ihre Anstrengungen auf Innovation fokussieren. Gerade die Klima- und Energietechnologien brauchen einen massiven Schub, keine Kürzungen. Warum es dazu einen globalen Ansatz geben muss, erklären die Ökonomen Achim Wambach und Axel Ockenfels.

Europa und insbesondere Deutschland leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels. Klimaschutz bedeutet, die klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren. Für die hoch technologisierten Länder geht es aber nicht nur darum, ob sie ihre angestrebten Reduktionsziele erreichen, sondern wie. Nur, wenn es dabei auch gelingt, ärmere und weitere Länder dazu zu bewegen, sich auf eine ambitionierte Klimapolitik einzulassen, ist die Klimapolitik erfolgreich. Wenn sie es nicht tun, wird die Welt an dieser globalen Herausforderung und an ihren eigenen Klimazielen scheitern. Deswegen ist der wichtigste Beitrag Deutschlands und Europas im Kampf gegen den Klimawandel Forschung und technologischer Fortschritt, der die Transformationskosten für die Welt reduziert – besonders für die weniger reichen Teile der Welt, die eine geringe Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft für Klimapolitik haben.

Es ist beeindruckend, was die Wissenschaft leistet und welche Fortschritte zum Beispiel bei erneuerbaren Energien und Speichertechnologien in den letzten Jahren erzielt wurden. Photovoltaikanlagen sind heute um 95 Prozent günstiger als noch vor 15 Jahren, auch Windkraft (38 Prozent günstiger als vor 10 Jahren) und Batterien (82 Prozent günstiger als vor 10 Jahren) sind um ein Vielfaches billiger geworden. Um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, braucht es aber noch viel mehr Innovationen, und viel schneller. Und hier kommt Europa eine Schlüsselrolle zu: Der Anteil Europas an der globalen Wissenschaft gemessen an Köpfen ist dreimal höher als der Anteil an Emissionen. Schon deswegen wäre es falsch, unsere Verantwortung und unseren Fokus auf nationale Emissionsziele zu limitieren. Die Aufgabe ist klar: Europa muss konsequent auf Forschung setzen, um das Klima zu schützen und ärmere Länder dabei zu unterstützen. Europa ist dabei auf einen guten Weg – gemessen an den Patentanmeldezahlen ist die EU der führende Wirtschaftsraum bei Umwelttechnologien. Und unsere Forschungsinstitutionen tun viel dafür und investieren in die Batterieforschung, Carbon Capture, die klimaschonende Luftfahrt und in vielen anderen Bereichen.  

Die wissenschaftlichen Institutionen haben aber nicht nur eine Forschungsagenda, sondern oft auch eine eigene Klimaschutz-Agenda zur Reduktion von CO2-Emissionen. Diese wird teilweise getrieben von einer öffentlichen Erwartungshaltung, die auf den CO2-Fußabdruck der wissenschaftlichen Institutionen abzielt. Die Max-Planck-Gesellschaft will bis 2035 und die Fraunhofer Gesellschaft sowie die Helmholtz-Gemeinschaft wollen sogar bis 2030 klimaneutral werden. Universitäten haben ähnliche Klimaziele. Dabei setzen sie oft auf Ökostrom, Gebäudesanierung und Ähnliches. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ermöglicht CO2-Kompensationszahlungen für Flugreisen. Die Institutionen haben „Beauftragte für Klimaneutralität und Nachhaltigkeit“ ernannt, die solche Programme betreuen und nach außen kommunizieren. Doch ist dies eine wissenschaftlich rationale Strategie, um den Klimaschutz bestmöglich zu unterstützen?

Die Antwort ist leider mitunter negativ. Bei einige Maßnahmen verpufft jedweder Klimaeffekt, etwa weil sie das Zusammenspiel mit übergeordneten Instrumenten ignorieren. Ein solches Instrument ist der europäische Emissionshandel: Wer im Stromsektor klimaschädliche Emissionen verursacht, wie die Betreiber von Kohle- oder Gaskraftwerken, muss dafür Zertifikate kaufen. Verbraucht nun eine Universität weniger fossilen Strom, etwa durch Gebäudesanierung oder der Installation von Solaranlagen, sinkt dort der Bedarf an Zertifikaten. Die Zertifikate werden dann aber an anderer Stelle verbraucht. Solche Maßnahmen können also nicht die europäischen CO2-Emissionen über das Niveau hinaus reduzieren, das der Emissionshandel erreicht. Die Experten sprechen vom Wasserbetteffekt: Wenn man die Matratze an einer Stelle nach unten drückt, wird sie an anderer Stelle nach oben gehoben.

Mit anderen Worten: Der Strom aus der Steckdose ist bereits kompensiert, weil der Stromerzeuger für den klimaschädlich erzeugten Strom anderen Emittenten Emissionsrechte abkaufen musste.

Manche Maßnahmen rechnen sich möglicherweise von sich heraus und sind von daher empfehlenswert: Solaranlagen etwa werden gefördert und mit der Eigenstromnutzung lassen sich hohe Netzgebühren vermeiden. Einen Beitrag zu den europäischen Emissionsreduktionen leisten sie aber nicht. Daher sollten Forschungseinrichtungen grundsätzlich ihre Klimaschutzmaßnahmen mit einer seriösen Analyse der Klimawirkungen und Kosten untermauern. Diese findet man jedoch selten. Wie viel CO2 wird tatsächlich global bzw. in Europa eingespart, und was hätte man mit den Mitteln alternativ erreichen können? Verantwortungsvoll und rational handeln heißt, die knappen Ressourcen so einzusetzen, dass sie die größtmögliche Wirkung im Kampf gegen den Klimawandel entfalten.

Andere Maßnahmen können mitunter sogar zu unerwünschten Effekten führen. Zum Beispiel bietet die Deutsche Forschungsgemeinschaft Kompensationen für innereuropäische Flüge an, deren Emissionen auch bereits im Emissionshandel berücksichtigt werden. Durch die zusätzliche Kompensation kann das Fliegen sogar zu einem größeren Beitrag zum Klimaschutz als das Nichtfliegen führen, denn es wird gewissermaßen jeder Flug doppelt kompensiert. Hinzu kommen möglicherweise noch unerwünschte Verhaltensänderungen: Es könnte zu mehr Flügen kommen, wenn nämlich die Kompensation das schlechte Gewissen erleichtert. Es kommt nicht von ungefähr, dass CO2-emittierende Unternehmen die Idee der individuellen Verantwortung und des eigenen CO2-Fußabdrucks popularisieren und für ihre Ziele nutzen. 

Klimaziele, die auf die eigene Klimabilanz und nicht auf die Bekämpfung des globalen Klimawandels abzielen, gehen aber insbesondere dann nach hinten los, wenn sie die Erforschung von Lösungen für eine nachhaltige Gesellschaft hemmt. Etwa wenn sie  energieintensive Infrastrukturen verhindert, wie zum Beispiel Rechenzentren und große Versuchsanlagen. Oder wenn durch den Bezug von grünem Strom oder der Sanierung von Gebäuden unterm Strich weniger Geld für Forschung und Lehre übrig bleibt und der wissenschaftliche Fortschritt geringer ausfällt  -  der ja global weit mehr positives bewirken kann als lokale Emissionsminderungen, egal ob mit oder ohne Wasserbetteffekten.

Was ist also zu tun? Wissenschaft und Politik sollten ihre Anstrengungen auf Innovation fokussieren, also auf Forschung, Lehre und Transfer der Erkenntnisse. Gerade die Klima- und Energietechnologien brauchen einen massiven Schub. Material-, Ingenieur-, Natur- und Sozialwissenschaften sind gefordert, mit Innovationen die Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig weiterzuentwickeln. Umso unverständlicher ist es, dass die Bundesregierung hier sogar Fördermittel streicht. Die Mittel für die Batteriezellenforschung wurden ebenso gekürzt wie Mittel für das Programm „Rohstoffe für die Transformation“. Programme zur Förderung der Entwicklung und der Produktion regenerativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien für die Luftfahrt sowie das Programm „Klimaneutrales Schiff“ wurden massiv beschnitten. Bei anderen Programmen, wie die Förderung nachhaltiger Kraftstoffe, sind Kürzungen geplant. Zugleich liegen die öffentlichen Ausgaben für Bildung relativ zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland unter dem OECD-Durchschnitt.

Gleichzeitig ist aber auch richtig, dass die Anreize für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, sich klimafreundlich zu verhalten, nicht immer ideal sind. Flugreisen für Networking und Austausch werden typischerweise über Drittmittel finanziert, so dass ein Anreiz bestehen könnte, nicht ausreichend auf virtuelle Treffen auszuweichen, wenn diese ebenso effektiv möglich wären. Doch was sind dann sinnvolle Klimamaßnahmen für Wissenschaftseinrichtungen? Ein positives Beispiel bietet unseres Erachtens die Universität Mannheim. Sie erhebt eine interne CO2-Abgabe auf Interkontinentalflüge, da diese bisher nicht vom Emissionshandel erfasst werden. Die jährlichen Einnahmen werden wiederum an die Fakultäten ausgeschüttet und stehen so für Forschung und Lehre wieder zur Verfügung. Eine elegante Lösung, die das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten der Klimapolitik explizit aufnimmt, die Anreize für klimafreundlicheres Verhalten schafft, und zwar ohne dass die Ausgaben in forschungsfernen Kanälen versickern. Die Universität Konstanz geht einen vergleichbaren Weg für alle, die freiwillig teilnehmen wollen.

Diese Idee lässt sich auf andere Ausgaben von Forschungseinrichtungen ausweiten. Das ist keine schlechte Idee, denn der CO2-Preis ist nicht nur eine besonders effektive und effiziente Maßnahme der Verhaltenssteuerung, sondern auch eine zutiefst altruistische. Er zwingt dazu, bei allen Entscheidungen die Kosten zu berücksichtigen, die anderen in der Welt durch die Entscheidung auferlegt werden. Wenn beim Festlegen eines (internen) CO2 Preises das Zusammenspiel mit weiteren Instrumenten der Klimapolitik wie dem europäischen Zertifikatehandel berücksichtigt werden, können unerwünschte Verhaltensänderungen und Wasserbetteffekte vermieden werden. Die Einnahmen der Bepreisung können für die notwendige Forschung verwendet werden.

Deutschland, das Land der Ideen und Erfinder, ist in der Klimakrise mehr denn je gefordert. Die Wissenschaft kann mit ihrem Wissensfortschritt einen echten Unterschied machen – und sie kann zugleich Vorbild sein für rationale und effektive Klimamaßnahmen.

Dieser Standpunkt erschien zuerst bei Table Media