Wieviel Unwissen verkraftet die Demokratie?

Workshop

ZEW-Workshop zu den Auswirkungen von Fehlinformationen

In dem vom ZEW Mannheim organisierten Workshop diskutierten Forscher die Auswirkungen von Fehlinformationen.

Wie gut sind die Deutschen über wirtschaftspolitische Themen informiert? Und insbesondere beim Verständnis für Reformvorhaben in der Politik: Welche Rolle spielen wirtschaftliche Bildung und Desinformationen? Welchen Einfluss hat der Wissenstransfer? Diese und weitere Fragen diskutierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am 8. Juli 2021 beim Workshop vom ZEW Mannheim in Zusammenarbeit mit der Brigitte Strube-Stiftung.

Dr. Vera Eichenauer von der ETH Zürich moderierte die Veranstaltung. ZEW-Ökonom Dr. Sebastian Blesse, Dr. Anna Kerkhof vom ifo Institut und Dr. Willi Scholz vom YES! – Young Economic Summit gaben in kurzen Präsentationen wichtige Impulse zum Thema vor, im Anschluss folgte eine gemeinsame Panel-Diskussion mit Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“.

Faktencheck für Wahlprogramme

Sebastian Blesse präsentierte zunächst eine aktuelle Studie zu Informationsdefiziten als Hindernis rationaler Wirtschaftspolitik. Darin beleuchtete er mit seinen Ko-Autoren die Auswirkungen von Uninformiertheit und Fehlinformationen auf die Wirtschaftspolitik. In repräsentativen Umfragen der deutschen Bevölkerung zeigte sich zunächst, dass die Wählerschaft substantielle wirtschaftspolitische Informationsdefizite aufweist. Im Anschluss wurde die Bedeutung dieser (Fehl-)Informationen für politische Präferenzen untersucht. Dabei kam heraus, dass wirtschaftspolitische Einstellungen auf individuellen Vorlieben beruhen, aber auch auf wahrgenommenen, äußeren Bedingungen. Würden diese durch Fehlinformationen anders als der Realität entsprechend wahrgenommen, könne dies schwerwiegende Folgen haben. Gründe für die Uninformiertheit seien beispielsweise politisches Desinteresse, niedrige Bildungsniveaus, sowie mangelnde Medienkompetenz. Als Handlungsempfehlung wurde der Ausbau der Medienkompetenz der Bevölkerung vorgeschlagen, sowie die Einführung einer unabhängigen Kommission für Faktenchecks in Wahlprogrammen.

Social Media und die Infodemie

Ein tieferes Verständnis von Fehlinformation in sozialen Medien vermittelte Anna Kerkof mit ihrem Vortrag. Fehlinformationen hätten in den letzten Jahren längst ihren Einzug in die sozialen Medien gefunden und dabei sowohl im Zuge vom Brexit, der Amtszeit von Donald Trump und der Corona-Pandemie große Verbreitung gefunden. Dabei handle es sich um eine regelrechte Infodemie, bei der man mit allen möglichen Informationen überschüttet werde und der man sich nicht entziehen könne. Die schnelle Verbreitung von Fehlinformationen läge vor allem an den Eigenschaften der Plattformen, die den Nutzenden Anonymität und selektiven Medienkonsum böten. Kerkof plädierte ebenfalls für den Ausbau der Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger sowie für Faktenchecks in Social Media, wobei sie jedoch die Unsicherheit der Wirksamkeit von diesen Angeboten zu bedenken gab.

Wissenstransfer schon im jungen Alter

Wie wichtig ein Wissensaustausch von Wissenschaftlern/-innen und Instituten mit der Bevölkerung und vor allem der jüngeren Generation ist, erläuterte Willi Scholz in seinem Vortrag. Im Rahmen des Schulwettbewerbs YES! lernen Jugendliche ökonomische Probleme zu verstehen, an denen die Forschung arbeitet. Dabei lernen sie wissenschaftliche Methoden kennen und entwickeln eigene Lösungsansätze. Scholz zufolge helfe der enge Austausch mit den Forschenden sehr dabei, das Wissen zu wirtschaftlichen Themen bereits im jungen Alter auszubauen.

Wissenschaft muss mit Öffentlichkeit kommunizieren

In der anschließenden Paneldiskussion wurden vielfältige Fragen aus dem Publikum aufgegriffen. So ging es um die Folgen von Unwissen für die Demokratie, aber auch darum, wie man mit Fehlinformationen umgehen kann und wie man die Menschen erreicht. Friedrich Heinemann, betonte die Wichtigkeit von Informiertheit, um Zielkonflikte besser und kompetenter beurteilen zu können. Zudem kritisierte er, dass es in der politischen Debatte kaum noch um Wahlprogramme, sondern viel mehr um Personen ginge. Das Panel war sich schlussendlich einig, dass die Wissenschaft Fakten und Zusammenhänge besser an die zu der Öffentlichkeit kommunizieren müsse, aber auch mehr Medienkompetenz-Angebote für die Bevölkerung geschaffen werden müssen, damit die Menschen an der Wahlurne eine informierte Entscheidung treffen können.

Die Veranstaltung wurde unterstützt von der Brigitte Strube Stiftung und durch das Projekt „Die Präferenz für eine Wirtschaftspolitik der ‚einfachen‘ Lösungen – Ursachen und Gegenmittel“ initiiert, das unter Leitung von Prof. Dr. Friedrich Heinemann zum 31. Juli 2021 abgeschlossen wurde.

Weitere Informationen

Die Präferenz für eine Wirtschaftspolitik der „einfachen“ Lösungen – Ursachen und Gegenmittel

01.09.2020 – 31.07.2021 Mehr zum Projekt

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