„Wir brauchen keinen Neodirigismus in der Corona-Krise“

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#ZEWBookTalk mit Clemens Fuest: „Wie wir unsere Wirtschaft retten. Der Weg aus der Corona-Krise“

Clemens Fuest im Austausch mit Achim Wambach über sein neustes Buch und dessen Inhalt zur Wirtschaft nach Corona.

Die Corona-Pandemie hat Wirtschaft, Gesellschaft und Politik fest im Griff. Vor diesem Hintergrund stellte ifo-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest sein aktuelles Buch „Wie wir unsere Wirtschaft retten­. Der Weg aus der Corona-Krise“ am 26. Oktober 2020 am ZEW Mannheim virtuell vor – und leitete damit die neue #ZEWBookTalk-Reihe ein. Im Gespräch mit ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, Ph.D. zeigte sich Fuest ablehnend gegenüber der aktuellen Tendenz des Staates, stärker in die Wirtschaft einzugreifen. Probleme bei der Bewältigung der Rezession sah er bei der Zielgenauigkeit der Corona-Maßnahmen und fehlenden Wirtschaftsdaten regionaler Auswirkungen.

#ZEWBookTalk mit Clemens Fuest

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„Wo stehen wir aktuell in der Corona-Rezession“, fragte Clemens Fuest zu Beginn seiner Präsentation. Laut ifo-Institut erholte sich das Geschäftsklima im Oktober 2020 deutlich und federte den Corona-Konjunktureinbruch ab. Allerdings stehe Deutschland eine massive zweite Infektionswelle bevor. „Die deutsche Wirtschaft wird im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zwar weniger schrumpfen, zeigt allerdings auch keine Erholungssymptome“, betonte der Münchener Ökonom. Durch den sinkenden Konsum seien Unternehmen in eine Unterauslastung gekommen, ausgelöst durch das angepasste Verhalten der Bevölkerung sowie staatliche Eingriffe. Ein klassisches Nachfrageproblem habe Deutschland hingegen nicht. „Während die verfügbaren Einkommen kaum gesunken sind, brachen die Konsumausgaben drastisch ein. Das lag zum einen an den geschlossenen Geschäften, zum anderen daran, dass sich viele fragen, ob ein Restaurantbesuch zurzeit sein muss“, so Fuest.

Konjunktur und Gesundheitsschutz schließen sich nicht aus

In seinem Buch beschäftigte sich der ifo-Präsident außerdem mit der Frage, ob die Corona-Krise einen Konflikt zwischen Gesundheit und Wirtschaft offenbart. „Ein Virus beeinträchtigt die Wirtschaft auch ohne staatliche Restriktionen. Kurzfristig wird die Wirtschaft zwar durch Restriktionen ausgebremst, es kann aber einer Überlastung des Gesundheitssystems entgegenwirkt werden“, schlussfolgerte der Ökonom. Frühzeitige und harte Restriktionen könnten so mittelfristig einen wirtschaftlichen Schaden verhindern. Als Beispiel führte der ifo-Präsident die Erkenntnisse aus der Spanischen Grippe auf. Hier zeigte sich, dass Gebiete mit stärkeren Restriktionen insgesamt weniger Tote verzeichneten und zu einer schnelleren wirtschaftlichen Erholung kamen als Gebiete mit einem laxeren Umgang mit Maßnahmen. Das zeigte in der derzeitigen Krisen auch die Situation Schwedens: Durch weniger restriktive Corona-Maßnahmen sei das Land wirtschaftlich nicht besser gestellt. „Schweden erlebte einen ähnlichen Wirtschaftseinbruch wie Dänemark – allerdings mit viel höheren Todeszahlen. Folglich stehen Gesundheit und Wirtschaft nicht in wirklichem Konflikt miteinander“, sagte Clemens Fuest.

Wie sollte also eine geeignete Wirtschaftspolitik aussehen? „Corona-Tests und Masken gewährleisten das Funktionieren der Wirtschaft. Maßnahmen wie Ausgangssperren verhindern sie aber“, gab der ifo-Präsident zu bedenken. Die Art der Restriktionen sei entscheidend. Fuest warnte vor einem Neodirigismus in der Corona-Pandemie. Wirtschaft könne nicht zentral gesteuert werden. Eine intelligente Wirtschaftspolitik müsse vielmehr marktwirtschaftliche Potenziale und staatliche Regulierungen verbinden, sonst verfehle sie ihre Ziele. Zudem drohten hohe Kosten, erklärte der Münchener Ökonom.

Verlässliche Daten und das Konjunkturprogramm helfen, die Krise zu bewältigen

Im Anschluss an Fuests Präsentation wollte ZEW-Präsident Achim Wambach wissen: „Akuter Schock, Shutdown und Erholung werden im Buch als drei Phasen des Corona-Verlaufs genannt. In welcher Phase befinden wir uns?“ Im Oktober 2020 zeichnete sich eine Erholungsphase in der Wirtschaft ab. Wenn die Infiziertenzahlen weiter stiegen, fiele man demnächst in die Phase des Shutdowns zurück, so der ifo-Präsident. In dieser ersten Phase der Pandemie-Bekämpfung stellte der Staat Liquiditätsmaßnahmen und Überbrückungshilfen für Unternehmen bereit. In der zweiten Phase folgte das Konjunkturprogramm. Ob dieses zielführend war, sei aus Fuests Sicht nicht klar. „Bislang gab es wenige Krisen, die so ein wirtschaftspolitisches Eingreifen verlangten. Aus der Großen Depression oder der Finanzkrise 2008 lassen sich kaum verwertbare Schlussfolgerungen ziehen. Zurzeit fehlen uns verlässliche Daten zu regionalen Auswirkungen für die Wirtschaft, etwa über die Eigenkapital- und Liquiditätssituation von Unternehmen“, sagte Fuest.

Dem stimmte Achim Wambach zu. „Uns fehlen aktuell einfach robuste Daten“, so der ZEW-Präsident. Fuest ergänzte: Es räche sich zurzeit, dass die Politik in den vergangenen Jahren nicht mehr Wirtschaftsdaten gesammelt hätte. Das habe die Erarbeitung des Konjunkturprogramms erschwert. Noch dazu bestanden Interessensunterschiede zwischen den Bundesländern und einige Sektoren waren betroffener als andere. „Konjunkturmaßnahmen wie die Mehrwertsteuersenkung halte ich nicht für zielgenau in der Corona-Krise. Produkte wie Elektrofahrräder oder Möbel sind sehr gefragt. Die Mehrwertsteuersenkung kann die Nachfrage in betroffenen Sektoren wie der Reisebranche aufgrund der Reisebeschränkungen nicht erhöhen. Hier hätte man stärker auf die einzelnen Sektoren eingehen müssen. Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden mit dem erarbeiteten Konjunkturprogramm“, erklärte der Ökonom vor den rund 230 Zuschauerinnen und Zuschauern des Live-Formats.

Fuest sieht europäischen Green New Deal kritisch

„Die EU hält an ihrem Ziel fest, bis 2050 klimaneutral zu werden. Geht das trotz Corona-Krise?“, fragte Moderator Achim Wambach nach. Der ifo-Präsident äußerte, er übe seit längerer Zeit Kritik am Green New Deal. Negativ sehe er die Taxonomie, mit der Finanzprodukte als nachhaltig klassifiziert würden. Das führe zu einer bürokratischen Einteilung der gesamten Wirtschaft, die zu Planwirtschaft und einer Lenkung von Kapital führe. Das sei nicht mehr zeitgemäß, argumentierte der Ökonom. „Allgemein ist es schwierig, mit der Konjunkturpolitik auch Umweltpolitik machen zu wollen. In der Wirtschaft kann man selten zwei Probleme mit einem Instrument lösen. Es sind also eher zwei Paar Schuhe. Wettbewerbsbeschränkungen sollten deshalb nicht mit Nachhaltigkeit begründet werden“, sagte Fuest.

Neuverschuldung ist in der Corona-Krise alternativlos

Auf die Abschlussfrage von Achim Wambach „Kann sich Deutschland neue Schulden durch die Corona-Pandemie leisten?“ antwortete Fuest mit einer Gegenfrage: Was sei denn die Alternative zum Konjunkturprogramm? Studien zeigten, dass Länder mit zuvor hohen Schulden deutlich schlechter aus einer Krise hervorgingen. Deutschland habe im Vergleich zu anderen EU-Ländern eine niedrigere Schuldenquote. Keine Konjunkturpolitik würde bedeuten, noch stärker wirtschaftlich abzustürzen. Allerdings gäbe es immer noch den demografischen Wandel, der nicht verschwinde, so der Münchener Ökonom. „Oft bedeuten weniger Schulden weniger Wirtschaftskraft. Es ist also wichtig gegenzusteuern und eine solide Staatsfinanzierung aufrecht zu erhalten. Langfristig müssen wir die Refinanzierungskosten jedoch niedrig halten“, so das Fazit von Fuest.

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