Wirtschaftsnobelpreisträger James J. Heckman über "Skills, Schools and Synapses"

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Zu einem Vortrag über nicht kognitive Fähigkeiten – darunter sind beispielsweise Ausdauer beim Lösen von Problemen, Disziplin und Konzentration zu verstehen – und deren Bedeutung für die Humankapitalbildung von Volkswirtschaften konnte ZEW-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz im Mai den Wirtschaftsnobelpreisträger Prof. James J. Heckman, Ph.D., von der Universität Chicago begrüßen. Mehr als 300 Gäste waren der Einladung zu der Veranstaltung, die im Rahmen der Vortragsreihe "Wirtschaftspolitik aus erster Hand" am ZEW stattfand, gefolgt.

Zu Beginn seines Vortrags mit dem Titel "Skills, Schools and Synapses" benannte Heckman das Phänomen einer wachsenden neuen Unterschicht, die den so genannten Mittelstand zunehmend verdränge. Dieses Phänomen sei insbesondere in den USA, aber zunehmend auch in vielen europäischen Staaten zu beobachten. Diese wachsende Unterschicht zeichne sich vor allem durch eine hohe Rate von Schulabbrechern und Ungelernten aus. Schwangerschaften von Teenagern seien stark verbreitet, ferner nähmen Straffälligkeit und gesundheitliche Risiken in dieser Gesellschaftsgruppe zu. Vor dem Hintergrund einer derartigen gesellschaftlichen Polarisierung kämen hohe Kosten auf die Volkswirtschaften zu, augenscheinlich in Form hoher Arbeitslosigkeit und abnehmender Produktivität der Geringqualifizierten.
Darüber hinaus gäben die Staaten sehr viel Geld zur Bekämpfung dieser Probleme aus, beispielsweise durch Arbeitsmarktprogramme, spezielle Ausbildungsprogramme oder auch Wiedereingliederungsmaßnahmen für straffällig gewordene Personen.

Während diese gesellschaftlichen Probleme bislang vor allem mangelnden kognitiven Fähigkeiten zugeschrieben würden, wie etwa mangelnder Schulbildung, lägen die eigentlichen Ursachen noch sehr viel tiefer, so Heckman. Noch bevor ein Kind seine erste Schulstunde absolviere, habe es im Elternhaus bestimmte, nicht kognitive Kompetenzen vermittelt oder nicht vermittelt bekommen, die prägend für seine weitere Entwicklung und damit für seinen sozio-ökonomischen Erfolg im Lebensverlauf seien. Diese nicht kognitiven Fähigkeiten hätten zunächst nichts mit Intelligenz zu tun. Es handle sich eher um charakterliche Qualitäten wie Ausdauer, Fleiß, Motivation, Zielstrebigkeit, Willensstärke oder auch Selbstvertrauen, die bereits bis zum fünften Lebensjahr durch die elterliche Stimulation entwickelt würden.

Diese nicht kognitiven Fähigkeiten seien die Grundlage, auf der sich erst in späteren Jahren kognitive Kompetenzen entfalten könnten. Einem Kind, das bereits im Vorschulalter zu Hause lerne, seine Aufmerksamkeit über eine bestimmte Zeitspanne einer bestimmten Sache zu schenken, werde es später leichter fallen, beispielsweise ein Buch zu lesen. Dieser Erfolg motiviere und öffne weitere Entwicklungstüren. Einem anderen Kind, das beispielsweise im Elternhaus keinen regelmäßigen Tagesablauf erfahren habe, werde es dagegen schwerfallen, Routinen - wie etwa täglich Hausaufgaben zu machen - durchzuhalten. Solche Schwierigkeiten wirkten demotivierend, neue Herausforderungen würden eher abgelehnt. So beeinflussten sich nicht kognitive und kognitive Fähigkeiten wechselseitig.

Vor diesem Hintergrund entstehe soziale Ungleichheit schon im Elternhaus. Wie zahlreiche Untersuchungen belegten, habe diese sich bereits bis zum Alter von fünf Jahren ausgebildet. Auch weise die soziale Ungleichheit eine hohe Persistenz auf. Es sei vielfach belegt, dass bereits im Grundschulalter Lehrer – unabhängig von der Qualität ihres Unterrichts – nur noch marginalen Einfluss hätten, diese Ungleichheit zwischen verschiedenen Kindern zu reduzieren.

Da eine wachsende Zahl von Kindern in ungünstige familiäre Situationen hineingeboren würden, müsste eine Politik, die darauf abziele, negativen gesellschaftlichen Entwicklungen effektiv und kostengünstig entgegenzuwirken, bereits bei der Altersgruppe der Neugeborenen bis Fünfjährigen ansetzen. Viele Untersuchungen zeigten, dass die Förderung von Vorschulkindern der Gesellschaft wesentlich geringere Kosten verursache und darüber hinaus wesentlich erfolgreicher sei als alle Maßnahmen, die erst bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen ansetzten. Ferner könnten frühkindliche Bildungsinvestitionen aufgrund des Zusammenspiels und der Selbstverstärkungseffekte von nicht kognitiven und kognitiven Kompetenzen im Vorschulalter zu hohen Erträgen, gemessen in späterem Lebenseinkommen der Geförderten, führen.

Zum Abschluss seines Vortrags warf Heckman die Frage auf, inwiefern in Familien mit dem Ziel der frühkindlichen Förderung eingegriffen werden dürfe. Diskutiert wurde auch, welche Akteure frühkindliche Bildungsprogramme lancieren sollten und wer diese letztlich finanzieren könnte.