ZEW Lunch Debate – Auf dem Weg zu einer GKKB für die Unternehmensbesteuerung in Europa
ZEW Lunch Debate in BrüsselDie Europäische Union konfrontiert grenzüberschreitend tätige Unternehmen gegenwärtig mit 28 verschiedenen Körperschaftsteuergesetzgebungen. Dies kann Doppelbesteuerung hervorrufen und öffnet aggressiver Steuerplanung Tür und Tor. Um die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen europaweit effizienter zu gestalten, hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) aus dem Jahr 2011 im Oktober 2016 neu aufgelegt. Welche Konsequenzen bringt die geplante Neuregelung für die EU-Mitgliedstaaten und Unternehmen mit sich? Diese Frage stand im Mittelpunkt der ZEW Lunch Debate "A New Proposal for Corporate Tax Reform: Is the CCCTB a Comprehensive Answer to Tax Challenges in our Globalised Economy?" am 25. Januar 2017 in der Brüsseler Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU.
"Die Harmonisierung der Gewinnermittlung durch die GKKB ist sinnvoll und realistisch", betonte Prof. Dr. Christoph Spengel, ZEW Research Associate und Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre II an der Universität Mannheim, in seinem Eröffnungsvortrag. Der Steuerexperte begrüßte die Idee eines zweistufigen Ansatzes der GKKB und plädierte für eine Förderung des ersten Schrittes, der Harmonisierung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundsätze. Dabei sei eine obligatorische GKKB einer optionalen GKKB eindeutig vorzuziehen, da somit Kosten für die Verwaltung und zur Überwachung der Regeltreue deutlich reduziert würden. Als weiteren Vorteil merkte Spengel an, dass die geplanten Regelungen für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage im Allgemeinen den heutigen Praktiken der EU-Mitgliedstaaten entsprächen.
"Die EU-Kommission hat sich in dem Vorschlag einem weiteren Problem des derzeitigen Besteuerungssystems in den Mitgliedstaaten angenommen: Es begünstigt die Fremdfinanzierung von Unternehmen verglichen mit der Finanzierung durch Eigenkapital", sagte Spengel. "Durch die Neuregelung wird ein Freibetrag für die Erhöhung des Eigenkapitals gewährt, der zu Finanzierungsneutralität führen und Investitionen stimulieren soll." Simulationen würden indes zeigen, dass Aufkommensverluste zu erwarten seien, die die EU-Mitgliedstaaten unter Druck setzten, diesen Verlust zum Beispiel über Steuersatzerhöhungen auszugleichen. Ebenso hätte eine systematische Umsetzung der Finanzierungsneutralität erhebliche Folgen für die Einkommensbesteuerung, die im Rahmen einer GKKB allerdings nicht geregelt werden könnten.
Gleichermaßen gab Spengel zu bedenken, dass durch Konsolidierung und formelhafte Gewinnaufteilung zwar Anreize zur Gewinnverlagerung innerhalb Europas behoben würden. "Dies trifft aber nicht auf Länder außerhalb der EU zu und lässt somit Raum für eine aggressive Steuerplanung mit Drittstaaten."
"Es ist Priorität, eine faire, effiziente und transparente Besteuerung zu schaffen"
In Anschluss an den Einführungsvortrag verdeutlichte Gaëtan Nicodème, PhD, Referatsleiter "Wirtschaftliche Analyse, Evaluierung und Unterstützung bei der Erstellung von Folgenabschätzungen" bei der Generaldirektion Steuern und Zoll der EU-Kommission, die Notwendigkeit einer GKKB. "Oberste Priorität der EU-Kommission ist es, eine faire, effiziente und transparente Besteuerung europaweit zu schaffen", so Nicodème. "Mit neuen zusätzlichen Elementen der GKKB schaffen wir starke Anreize für wachstumsfreundliche Maßnahmen wie Investitionen in Forschung und Entwicklung und Finanzierungen durch Eigenkapital." Somit folge der Vorschlag grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Zielen der Wiederankurbelung von Wachstum und Förderung von Beschäftigung. Zudem sollen steuerliche Hindernisse wie die Doppelbesteuerung beseitigt werden und die Rechtssicherheit im Steuerbereich gestärkt werden. Missverhältnisse zwischen den nationalen Systemen würden durch die GKKB beseitigt. "Wir ergreifen Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch, die verhindern sollen, dass Unternehmen ihre Gewinne in Länder außerhalb der EU verlagern. Multinationale Konzerne werden mit aggressiver Steuerplanung nicht mehr in der Lage sein, Steuervermeidung zu betreiben."
Ein politischer Konsens gestaltet sich schwierig
Mit Christoph Spengel und Gaëtan Nicodème diskutierte auf dem Podium Prof. Stef van Weeghel, PhD, Leiter Globale Steuerpolitik bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und Professor für Internationales Steuerrecht an der Universität Amsterdam. Van Weeghel befürwortete ausdrücklich das Gesamtkonzept der GKKB. Er führte aus, dass die Neuregelung einer aggressiven Steuerplanung entgegenwirke und mehr Transparenz in der Besteuerung schaffe. "Wir müssen allerdings daran denken, dass ein politischer Konsens schwierig ist. Dies liegt an vielen Faktoren, unter anderem an den erwähnten Aufkommensverlusten oder auch an der Wahrnehmung, dass die Steuerpolitik ihre Flexibilität verlieren würde", erklärte van Weeghel. Darauf entgegnete Nicodème, dass die Staaten auf Grund der Steuervermeidung multinationaler Unternehmen bereits Souveränität verloren hätten und diese durch die GKKB zurückgewinnen würden.
Die angeregte Podiumsdiskussion moderierte die Journalistin Vanessa Houlder von der britischen "Financial-Times". Viele der 75 Gäste, darunter Vertreterinnen und Vertreter der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und Zivilgesellschaft, zeigten sich an der Diskussion interessiert und brachten sich mit Fragen ein: Inwiefern können auf europäischer Ebene nationale Bedenken ausgeräumt werden? Was können multinationale Unternehmen leisten, um die GKKB zu unterstützen? Schränkt die GKKB die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten ein? Fragen, die die Notwendigkeit einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Reformvorschlag und seiner möglichen Auswirkungen sowie erwarteten Herausforderungen verdeutlichen.