ZEW-Präsident Wolfgang Franz zum Thema "Finanzmarktkrise"

Standpunkt

Die Konjunkturerwartungen der Finanzmarktexperten, die das ZEW monatlich befragt, haben sich Mitte Oktober nicht weiter verschlechtert, liegen indes deutlich unterhalb des historischen Mittelwerts. Beim gegenwärtigen Informationsstand deutet dies darauf hin, dass die Abwärtskorrekturen bei den Konjunkturerwartungen im Wesentlichen vollzogen sind. Ob wir damit die Finanzmarktkrise hinter uns haben, steht auf einem anderen Blatt. Denn zum einen liegen noch nicht alle Karten auf dem Tisch, und zum anderen müssen wirtschaftspolitische Folgerungen gezogen werden.

Die Verantwortlichen für die Finanzmarktkrise sind zuallererst, obschon nicht ausschließlich, in den Vereinigten Staaten zu suchen. Eine sehr expansive Geldpolitik und regulatorische Defizite ermöglichten es auf dem dortigen Immobilienmarkt vielen Kaufinteressenten, zinsgünstige Kredite aufzunehmen, die ihre finanzielle Leistungsfähigkeit überstiegen, weil entsprechende Bonitätsprüfungen sträflich vernachlässigt wurden. Da viele dieser Hypotheken mit einer variablen Verzinsung und einem zu Beginn sehr niedrigen Zinssatz versehen sind und die Hauspreise in den Vereinigten Staaten seit Monaten fallen, zeichnen sich angesichts der nunmehrigen Zinsanpassungen zunehmende Ausfallwahrscheinlichkeiten dieser Kredite ab. Damit kommen diejenigen Banken in (noch größere) Bedrängnis, die solche dubiosen Kreditforderungen besitzen und neu bewerten müssen, darunter eben auch Kreditinstitute in Deutschland. Was dann noch auf uns zukommt, ist unbekannt, möglicherweise sogar den betreffenden Banken selbst. Angesichts solcher lauernden Risiken verbietet sich schon jetzt eine Entwarnung, dass die Finanzmarktkrise ausgestanden sei. Der andere Grund, warum uns die Finanzmarktkrise weiterhin beschäftigen wird, liegt darin, dass nun Lehren gezogen werden müssen, um solche Fehlentwicklungen möglichst zu vermeiden oder zumindest besser gegen sie gewappnet zu sein. Dies betrifft neben anderen Aspekten die Regelung der Bankenaufsicht, worauf der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem neuen Jahresgutachten aufmerksam gemacht hat. Notwendig wäre eigentlich eine in das Europäische System der Zentralbanken integrierte Bankenaufsicht, jedoch wird sie sich aufgrund politischer Widerstände so schnell nicht realisieren lassen. Daher müssen auf nationaler Ebene Reformanstrengungen unternommen werden, nicht zuletzt in Deutschland. Bei den aufgetretenen Problemfällen Industriekreditbank und Landesbank Sachsen waren die Praktiken der Banken den Regulatoren bekannt und wurden von diesen moniert, boten aber offensichtlich keinen Anlass oder keine rechtliche Möglichkeit zum Einschreiten. Wie diese Fälle zeigen, ist es wenig effizient, wenn die laufende Aufsicht durch die Deutsche Bundesbank wahrgenommen und bei Problemsituationen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit deren Bearbeitung betraut wird. Für eine Übertragung aller aufsichtsrechtlichen Kompetenzen an die Deutsche Bundesbank sprechen mehrere Gründe, unter anderem die gemeinsame Nutzung von Informationen seitens der Geldpolitik und der Bankenaufsicht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Notenbank die Rolle des "lender of last resort" übernehmen muss, also Liquiditätshilfen für illiquide, jedoch solvente Banken leisten soll. Ein weiterer Vorteil ist in der politischen Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zu sehen, im Gegensatz zur BaFin, die der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen unterstellt ist. Diese Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank muss dann weitestgehend ebenso für die ihr im Rahmen einer einheitlichen Bankenaufsicht übertragenen Funktionen gelten. Dessen muss sich die Politik bewusst sein, weil durchaus der Fall auftreten kann, dass für die Lösung von Problemen im Bankensektor Geld des Steuerzahlers benötigt wird, etwa über einen verringerten Bundesbankgewinn.