ZEW-Präsident Wolfgang Franz zum Thema "Konjunkturtests"

Standpunkt

Nach Lage der Dinge haben die Finanzmarktexperten des ZEW-Finanzmarkttests im Hinblick auf die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland Recht behalten. Seit November letzten Jahres begannen sich die Einschätzungen bezüglich der Konjunktur in sechs Monaten aufzuhellen, wenngleich die negativen Beurteilungen bis ins Jahr 2009 überwogen. Die harten Konjunkturdaten bestätigen die Erwartungen der Finanzmarktexperten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf der Basis einer Schnellschätzung,die erfahrungsgemäß später einer Revision unterliegen wird, ist die dramatische Abwärtsbewegung des realen Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal dieses Jahres zum Stillstand gekommen – also genau sechs Monate, nachdem sich die Konjunkturerwartungen des ZEW anfingen zu verbessern.

Der bis März dieses Jahres bestehende negative Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen warnt aber zugleich vor euphorischen Einlassungen, so als ob wir die Krise überstanden hätten. Zwar legte das reale Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal dieses Jahres mit vorläufig 0,3 v. H. zaghaft zu und vielleicht fällt das dritte Quartal noch besser aus. Aber Deutschland wurde mit seiner Wirtschaftsleistung auf etwa das Jahr 2005 zurückgeworfen und es wird geraumer Zeit bedürfen, bis wir wieder an das Niveau vor der Krise anknüpfen können. Wir sind mit dem Aufzug rasant ein paar Stockwerke tiefer gesaust und müssen nun erst einmal auf dem Weg nach oben mit der Rolltreppe vorlieb nehmen. Und schließlich: Auf dem Arbeitsmarkt steht uns das Schlimmste vermutlich noch bevor, obschon das Schlimmste nicht ganz so schlimm ausfallen dürfte, wie noch vor Kurzem befürchtet. Die Erwartungen im Rahmen des ZEW-Finanzmarkttests entsprachen bis jetzt also – zeitversetzt um sechs Monate – der beobachteten Entwicklung. Vergleichbare Konjunkturindikatoren haben dies erst deutlich später als der ZEW-Indikator signalisiert, der ZEW-Indikator besitzt also einen gewissen zeitlichen Vorlauf vor ihnen. Die Lagebeurteilung des ZEWFinanzmarkttests stimmt – wie bei anderen vergleichbaren Indikatoren – mit dem bekannten "harten" Daten ebenfalls im Wesentlichen überein. Obwohl sicherlich von hohem wissenschaftlichen Interesse, spielt eine untergeordnete Rolle bei der Beurteilung des ZEWIndikators, inwieweit die dort geäußerten Ansichten Ausdruck eines "Herdenverhaltens" der Finanzmarktexperten sind. Es wäre im Gegenteil ziemlich verwunderlich, wenn sie nicht häufig miteinander kommunizierten und die Meinungen von Kollegen bei ihren eigenen Erwartungen berücksichtigten. Möglicherweise ist der ZEW-Indikator zudem etwas volatiler als vergleichbare Indikatoren, obwohl dieser visuelle Eindruck an der jeweiligen Skalierung der unterschiedlichen Indikatoren liegen mag und einer empirischen Überprüfung bedarf. Alles in allem haben also die "weichen" Konjunkturindikatoren wie der ZEW-Finanzmarkttest richtig gelegen. Zu überschwänglichem Lob besteht indes kein Anlass, die "weichen" Konjunkturindikatoren haben diese Rezession ebenso wenig weit im voraus gesehen wie andere Prognosen. Sie sind somit ein brauchbares Werkzeug im Instrumentenkasten der Prognostiker – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Um im Finanzmarktbereich zu bleiben, so stellt die weitere konjunkturelle Entwicklung die Zentralbanken vor große Herausforderungen. Sie müssen die Gratwanderung bewältigen, einerseits die Zinsen nicht zu früh anzuheben und damit die wirtschaftliche Erholung zu beeinträchtigen, andererseits die Liquidität, mit der sie die Geldmärkte angesichts der Finanzkrise geflutet haben, wieder rechtzeitig einzusammeln, um Inflationsgefahren einzudämmen. Die Europäische Zentralbank nimmt ihr Mandat einer Sicherung der Preisniveaustabilität sehr ernst und sollte sich eventuellem politischen Druck, es damit nicht zu ernst zu nehmen, erwehren.