Absenkung des Wahlalters auf 16 nicht der Königsweg
ForschungWähler müssen sich unabhängig ihres Alters für zukunftsorientierte Politik interessieren
Deutschland wird aufgrund des demographischen Wandels immer mehr zu einer „Rentnerdemokratie“. Eine Reform des Wahlalters ab 16 soll dem entgegenwirken. Dass eine solche Reform allerdings nicht radikal genug ist, um die Interessen junger Menschen in der aktuellen Politik stärker zu verankern, zeigt eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim. Denn Reformen des Wahlalters tragen wenig dazu bei eine zentrale Einschränkung der Demokratie zu beheben: Wenn sich Wähler/innen weiterhin nur um eigene politische Präferenzen und die eigene Generation kümmern, dann wird die Politik tendenziell stark von der Gegenwart und damit einer alternden Gesellschaft geprägt sein. Stattdessen sollte ein generationenübergreifender Altruismus der Wähler/innen gefördert sowie stärker in eine bessere Aufklärung zu langfristigen Politikthemen investiert werden.
Deutschland wird immer älter und damit auch seine Wähler/innen: So wurden die jüngsten Bundestagswahlen von den über 50-Jährigen dominiert, die 60 Prozent der Wähler/innen ausmachten, während nur 14 Prozent der Wähler/innen unter 30 Jahren waren, verglichen mit 19 Prozent im Jahr 1961. Dies hat gravierende Auswirkungen auf das politische System in Deutschland. Auf der Grundlage von Daten des Eurobarometers sowie des German Internet Panel (GIP) untersucht eine ZEW-Studie nun, inwiefern ältere Menschen andere Präferenzen in Politikfeldern hegen als junge Menschen und welche Auswirkungen sie auf die Art der gewählten Politik hat. Es gibt einige Politikbereiche, die Altersunterschiede aufweisen. So werden tendenziell der Ausbau erneuerbarer Energie oder die Relevanz digitaler Technologien eher jüngeren Wähler/innen zugeschrieben. Die ältere Generation befürwortet dagegen stärker die Schuldenbremse sowie Steuerhöhungen mit Blick auf das Rentensystem. Höhere öffentliche Ausgaben für Bildung werden über alle Altersgruppen hinweg breit unterstützt. Auch eine steuerfinanzierte Umverteilungspolitik sowie eine weitere europäische Integration findet bei alten und jungen Altersgruppen Anklang, während Wähler/innen mittleren Alters dies eher ablehnen. „Insgesamt sind diese politischen Präferenzen nicht zu ausschlaggebend und gehen oft in unerwartete Richtungen im Vergleich zu einer Sichtweise, die Wählerinnen und Wähler als einfache, eigennützige Akteure betrachtet“, erläutert ZEW-Ökonom Dr. Zareh Asatryan die Ergebnisse.
Was die Studie ferner zeigt: Eine Reform des Wahlalters kann sich nur in geringem Maße auf die Gestaltung künftiger Politikfelder auswirken. „Mit einem Wahlrecht ab 16 würden etwa 1,5 Millionen neue Wahlberechtigte im Alter von 16 und 17 Jahren hinzukommen, die nur 2,5 Prozent der Wählerschaft ausmachen. Gleichzeitig schreitet die Alterung in Deutschland weiter voran. Wichtige Zukunftsthemen der Politik, wie etwa der Klimawandel, können nicht nur von einer kleinen Gruppe jugendlicher Wähler getragen werden“, sagt Zareh Asatryan. Wenn sich das Wahlrecht also strikt auf den Ausdruck einer eng gefassten Politik beschränkt, die nur dem eigenen Vorteil dient, dann ist das keine zukunftsfähige Lösung. Die Ergebnisse der Studie legen jedoch auch nahe, dass die Präferenzen der Menschen viel differenzierter sind, als es eine einfache egoistische Sichtweise vermuten lässt. „Insbesondere die Gerechtigkeit zwischen den Generationen ist den Menschen wichtig, was sich in den letzten Jahrzehnten deutschland- und europaweit verbessert hat. Eine bessere Aufklärung der Wählerinnen und Wähler über langfristige Themen in Verbindung mit einer weiteren Förderung des Altruismus zwischen den Generationen ist ein vielversprechenderer Weg“, so Zareh Asatryan.