Arme Länder, reicher Bund – Gewinner und Verlierer bei der Versteigerung von CO2-Zertifikaten

Forschung

Der Eintritt in die dritte Phase des Europäischen Emissionshandels (2013-2020) kommt einige Bundesländer, aber auch manche deutsche Stadt oder Gemeinde, teuer zu stehen. Da ab 2013 ein beachtlicher Teil der Emissionszertifikate nicht mehr kostenfrei zugeteilt, sondern versteigert wird, müssen die zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichteten Unternehmen für den Ausstoß von Kohlendioxid künftig deutlich mehr Geld ausgeben als bisher. Es ist zu erwarten, dass die Preissetzung der Unternehmen für die von ihnen produzierten Güter davon unberührt bleiben wird.

Der Grund dafür ist, dass bereits in der Phase der kostenlosen Zuteilung Emissionszertifikate am Markt verkauft werden können. Sie stellen somit einen Wert dar, der bereits in die Güter der am Emissionshandel beteiligten Unternehmen eingepreist ist und der den Opportunitätskosten der Produktionsentscheidung entspricht. Aufgrund der bereits erfolgten Einpreisung steigen bei einer Versteigerung der Zertifikate vor allem die Betriebsausgaben der Unternehmen. Das mindert den Gewinn und lässt die staatlichen Steuereinnahmen aus Gewerbe- und Körperschaftsteuer auf Bundes- und Landesebene sinken. Doch während der Bund seine Einnahmeausfälle mit den Erlösen aus dem Verkauf von nationalen Emissionsrechten mehr als wett macht, denn nach derzeitiger Rechtslage stehen diese allein ihm zu, bleiben die Länder und Kommunen auf ihren Steuermindereinnahmen sitzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Derzeit sind in Deutschland Unternehmen aus fünf Industriebranchen sowie thermische Kraftwerke zur Teilnahme am Europäischen Emissionshandel verpflichtet. Je nachdem, wie hoch der Preis für die Emission einer Tonne Kohlendioxid in der dritten Handelsperiode von 2013 bis 2020 sein wird, darf sich der Bund über Einnahmen zwischen 34,8 Milliarden Euro und 92,9 Milliarden Euro bei einem Zertifikatepreis von 15 beziehungsweise 40 EUR/t CO2 freuen. Die Steuerausfälle des Bundes sind in diesem Zeitraum dagegen nur mit rund 2,6 Milliarden Euro und 6,9 Milliarden Euro bei einem Preis von 15 bzw. 40 EUR/t CO2 anzusetzen. Bei den vorab angesetzten Preisen für die Emission einer Tonne Kohlendioxid fallen die Steuerausfälle der einzelnen Länder und Kommunen mit insgesamt rund sieben beziehungsweise 18,6 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch aus wie die des Bundes. Dieser trägt lediglich 27 Prozent der Steuerausfälle.

Da die Standorte der emissionshandelspflichtigen Anlagen in Deutschland ungleich verteilt sind, sind die einzelnen Länder unterschiedlich stark von den zu erwartenden Steuerausfällen betroffen. So entfallen beispielsweise allein auf Nordrhein-Westfalen im Jahr 2013 rund 49 Prozent der Steuerausfälle, wohingegen Thüringen lediglich einen Anteil von 0,5 Prozent zu tragen hat.

Mit der gegenwärtigen Gesetzeslage sind die Verwendungsmöglichkeiten der Einnahmen aus der Versteigerung bereits weitgehend festgelegt. Das Gesetz sieht vor, dass neben der alleinigen Zuweisung der Einnahmen an den Bund, Versteigerungserlöse über 900 Millionen Euro jährlich dem Bundessondervermögen Energie- und Klimafonds (EKF) zufließen. Der EKF ist vorrangig auf Maßnahmen zur Emissionsvermeidung sowie zur Steigerung der Energieeffizienz hin ausgerichtet also beispielsweise die energetische Gebäudesanierung. Eine direkte Beteiligung von Kommunen und Bundesländern an den Mitteln des Fonds ist nicht vorgesehen. Die EU gibt den Mitgliedstaaten vor, mit einem Teil der Versteigerungserlöse sowohl Anpassungs- als auch Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Bei einer solchen zweckgebundenen Mittelverwendung im Klimakontext sind daher Bundes- und Länderaufgaben betroffen. Bisher sieht der Fonds eine Förderung nationaler Anpassungsmaßnahmen aber nicht vor.

Die Hauptverantwortung für  Klimaschutzmaßnahmen im Sinne von Emissionsminderungen, beispielsweise durch ein nachhaltiges Verkehrsmanagement oder durch Maßnahmen zur Verbesserung der  Energieeffizienz, ist auf Bundesebene anzusiedeln. Da eine effektive Klimapolitik kosteneffizient sein sollte und Vermeidungskosten regional unterschiedlich sind, ist die nationale Koordination von Klimaschutzmaßnahmen auf Bundesebene aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Dahingegen sind Anpassungsmaßnahmen aufgrund des lokalen Einflusses des Klimawandels wie beispielsweise Investitionen in den Hochwasserschutz bei Flüssen primär Aufgabe der Länder und Kommunen.

„Mit Blick auf notwendige Anpassungsmaßnahmen sowie Steuerausfälle erscheint eine teilweise Ausschüttung der Auktionserlöse aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten an die Länder sinnvoll“, sagt Professor Dr. Andreas Löschel, Leiter des Forschungsbereichs Umwelt- und Ressourcenökonomik am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. „Eine Einigung hierüber wird allerdings nicht nur zwischen Bund und Ländern schwierig werden, sondern auch zu Spannungen zwischen den Ländern führen, da diese durch die ungleiche Verteilung emissionshandelspflichtiger Anlagen unterschiedliche Steuerausfälle erleiden und sich auch in der Betroffenheit durch den Klimawandel sowie in ihren Anpassungskapazitäten unterscheiden“.

Für Rückfragen zum Inhalt

Christiane Reif, Telefon 0621/1235-209, E-Mail reif@zew.de

Prof. Dr. Andreas Löschel, Telefon 0621/1235-200, E-Mail loeschel@zew.de