Biotechnologie: Knappheit an Venture Capital gefährdet Neugründung von Unternehmen
ForschungDie Biotechnologie gilt als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Es gibt daher Anlass zur Sorge, dass es neu gegründete Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland heute deutlich schwerer als noch vor wenigen Jahren haben, Risikokapitalgeber zu finden, die bereit sind, ihre Geschäftsidee zu finanzieren.
Immerhin erhielten 15 Prozent der zwischen 1995 und 1999 neu gegründeten Biotechnologie-Unternehmen Venture Capital (VC). Viele dieser Gründungen wären sicherlich unterblieben, wenn sie keine VC-Geber gefunden hätten. Sollte die Zurückhaltung der Venture Capital-Gesellschaften daher über längere Zeit andauern oder gar ihren Rückzug aus diesem Wirtschaftssektor ankündigen, so könnte dies die Weiterentwicklung der Biotechnologie-Industrie in Deutschland gefährden. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Gründungsreport des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Die derzeitigen Schwierigkeiten von Neugründungen im Biotechnologiesektor, VC zu erhalten, hat mehrere Ursachen. Zum einen führen die noch immer geringe Marktakzeptanz von Biotech-Produkten sowie die nach wie vor bestehenden Managementdefizite vieler Biotech-Unternehmen zu verschärften Anforderungen an Investments im Biotech-Bereich seitens der VC-Geber. Zum anderen sind derzeit keine attraktiven Renditen auf das eingesetzte VC zu erwarten, da nach dem Ende der New Economy-Euphorie und dem extremen Kursverfall bei Aktien eine Platzierung junger Biotech-Unternehmen an der Börse wenig aussichtsreich ist und auch der Verkauf von Unternehmensanteilen für die VC-Gesellschaften nicht gerade vielversprechend ist. Darüber hinaus stehen die Neugründungen bei ihrer Suche nach Risikokapital im Wettbewerb mit den Unternehmen, die bereits zum Portfolio der VC-Geber gehören und die ebenfalls weiter finanziert werden müssen.
Eine Betrachtung der bisherigen Vergabepraxis bei VC zeigt, dass bestimmte Bereiche des Wirtschaftssektors Biotechnologie weit mehr VC auf sich gezogen haben als andere und daher unter einer Verknappung bei VC auch stärker zu leiden hätten. Mit 31 Prozent sind die Entwickler neuer Biotech-Produkte am stärksten VC-finanziert. Nur in wenigen Fällen werden aus Entwicklern auch Produzenten. Insbesondere bei medizinischen Anwendungen wird in der Regel eine Allianz oder Partnerschaft mit etablierten Pharma-Unternehmen notwendig, um den langwierigen und kostspieligen Weg vom Wirkstoff bis zum marktfähigen Arzneimittel erfolgreich zu bestehen.
An zweiter Stelle bei der VC-Finanzierung stehen die Unternehmen, die technische oder nicht-technische Dienstleistungen für die Produktentwickler erbringen. Von ihnen haben 26 Prozent VC in Anspruch genommen. Unter ihnen befinden sich zahlreiche Anbieter von Plattformtechnologien. Solche Technologien sind breit einsetzbar und dienen der effizienteren Gestaltung des Innovationsprozesses von Produktentwicklern. Beispiele hierfür sind die Bioinformatik, kombinatorische Chemie sowie funktionale Genomik. Der hohe Anteil VC-finanzierter Dienstleister resultiert aus dem großen Interesse an der Finan-zierung von Plattformtechnologien seitens der VC-Geber. Die Hoffnungen auf eine breite Marktakzeptanz der Plattformtechnologien sowie deren geringere Entwicklungszeit bis zur Marktreife im Vergleich zu biopharmazeutischen Produkten haben dieses Interesse begründet.
Die dritte Gruppe von Unternehmen schließlich umfasst die Zulieferer spezifischer Laborausstattungen, Geräte oder Anlagen. Ihre VC-Finanzierung ist mit gerade mal sechs Prozent am geringsten.
Ebenfalls beobachten lässt sich, dass die verschiedenen Anwendungsbereiche biotechnologischer Produkte das Interesse von VC-Gebern unterschiedlich stark auf sich ziehen. So haben etwa Unternehmen mit medizinischen Anwendungen ("rote" Bio-technologie) besonders gute Chancen, VC zu erhalten. Bezogen auf alle Produktentwickler und Dienstleister der roten Biotechnologie sind 31 Prozent VC-finanziert. In der "grünen" (Landwirtschaft und Ernährung) und "grauen" (Umwelt) Biotechnologie dagegen sind es zusammengenommen nur knapp acht Prozent. Der große Unterschied erklärt sich aus der hohen Attraktivität des Arzneimittelmarkts, dem jetzt und in Zukunft ein großes Potenzial attestiert wird. Zudem genießt er - im Gegensatz zur "grünen" Biotechnologie - eine breite gesellschaftliche Akzeptanz.
Ansprechpartner
Claire Champenois, E-Mail: champenois@zew.de
Dr. Oliver Heneric, E-Mail: heneric@zew.de