Dresden - Kioto - Johannesburg: Klimaschutz in Not

Forschung

Die starken Überschwemmungen dieser Tage schüren bei vielen Bürgern die Angst vor den Folgen einer globalen Klimaveränderung. Der Umwelt- und Klimaschutz könnte daher zu einem wichtigen Wahlkampfthema werden.

Die Regierungskoalition verweist genüsslich auf das Fehlen eines Umwelt-Experten im Kompetenzteam der Union, unterstreicht die Vorreiterrolle Deutschlands im Klimaschutz und mahnt stärkere internationale Anstrengungen zur Minderung anthropogener Treibhausgasemissionen an. Nun soll im September 2002 anlässlich des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg auf das endgültige Inkrafttreten des Kioto-Protokolls, welches erstmals international verbindliche Treibhausgasreduktionen vorsieht, gedrängt werden. Allerdings, so eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, ist von der Umsetzung des Kioto-Protokolls kaum eine Minderung der globalen Treibhausgasemissionen zu erwarten. Für Euphorie in der Klimaschutzpolitik besteht in Johannesburg somit kein Anlass.

Im Jahr 1997 verpflichteten sich die Industriestaaten im Protokoll von Kioto, ihre Treibhausgasemissionen in den Jahren 2008 bis 2012 um insgesamt fünf Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Die Umsetzung des Protokolls schien Ende 2000 auf der Klimakonferenz in Den Haag im Streit über die konkreten Regelungen für einen internationalen Handel mit Emissionszertifikaten und die Anrechenbarkeit von Kohlenstoffsenken zu scheitern. Als potenzielle Kohlenstoffsenken gelten landwirtschaftliche Nutzflächen und Wälder, die das Treibhausgas Kohlendioxid speichern können und von verschiedenen Industrieländern als wichtiges indirektes Medium zur Erreichung ihrer Klimaschutzziele angesehen werden. Zudem kündigte die USA im März 2001 wegen der befürchteten ökonomischen Kosten von Klimaschutzmaßnahmen ihre Teilnahme am Kioto-Abkommen auf.

Die Übereinkunft zur Rettung des Kioto-Protokolls, welche zwischen den verbleibenden Industrienationen in den Klimaverhandlungen von Bonn und Marrakesch Ende 2001 erzielt wurde, sieht nun die unbeschränkte Handelbarkeit von Emissionsrechten sowie eine weitreichende Anrechnung von Kohlenstoffsenken vor. Beide Regelungen führen jedoch zu einer beträchtlichen Abschwächung der ökologischen Wirksamkeit des Kioto-Protokolls. Insbesondere der freie Handel mit überschüssigen Emissionsrechten, sogenannter "heißer Luft", beeinträchtigt die realen Treibhausgasreduktionen erheblich. Die "heiße Luft" stammt vor allem aus Russland und der Ukraine, die im Kioto-Protokoll erheblich mehr Emissionsrechte für die Jahre 2008 bis 2012 erhalten haben, als ihre Wirtschaft tatsächlich benötigt. Nach den Berechnungen des ZEW würden unter den ursprünglichen Kioto-Verpflichtungen und bei einer Ratifizierung des Kioto-Protokolls durch die USA die globalen Emissionen gegenüber 2010 effektiv um fast sieben Prozent sinken. Durch die Ausnutzung von Senkenpotenzialen vermindert sich diese Reduktion auf weniger als fünf Prozent. Ohne die USA, den derzeit weltweit größten Emittenten und potenziell größten Nachfrager von Emissionsrechten, kommt es bei freiem Emissionshandel sogar zu keiner effektiven Emissionsminderung, da das Überangebot an "heißer Luft" auf Seiten von Russland und der Ukraine ausreicht, um den Reduktionsbedarf der verbleibenden Industrieländer vollständig zu decken. Auch wenn man realistischerweise annimmt, dass die Länder mit "heißer Luft" ihr Angebot an Emissionsrechten strategisch einschränken, um den Preis für ihre Rechte nach oben zu treiben, sinken die Emissionen lediglich um ein Prozent gegenüber 2010. Gegenüber 1990 entspricht dies einem Anstieg der globalen Emissionen um gar ein Drittel.

Ökonomisch überrascht diese düstere Perspektive für den internationalen Klimaschutz kaum: Da der Klimaschutz ein globales Problem darstellt, besteht für alle Länder ein Anreiz, sich lieber als Freifahrer zu verhalten, statt eigene Anstrengungen zu unternehmen. Angesichts der derzeitigen verheerenden Überschwemmungen sowie weiterer drohender Klimakatastrophen in der Zukunft stellt sich um so dringlicher die Frage, wie Kooperation zur Umsetzung von substanziellem Klimaschutz erreicht werden kann.

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