Entscheidungssituationen beim Klimaschutz im ökonomischen Laborexperiment - Ungleichheit zwischen Staaten untergräbt gemeinsamen Willen zum Klimaschutz

Forschung

Katastrophale Klimaschäden wie der Abbruch des Golfstroms oder das Abschmelzen der Polkappen sollten vermieden werden. In diesem Ziel ist sich die internationale Staatengemeinschaft einig. Ob und wie dieses Ziel indessen erreicht werden kann, ist fraglich. Die Ungleichheit zwischen den Staaten hinsichtlich ihrer historischen Treibausgasemissionen und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vermindert ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Zu diesem Ergebnis kommen ökonomische Experimente mit 240 Teilnehmern, die im Rahmen einer Studie unter Leitung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg, der London School of Economics und der Universitat Autònoma de Barcelona durchgeführt wurden. Ein umfassender Beitrag zu den Ergebnissen der Studie ist aktuell in der renommierten Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen.

Bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen und Cancún einigten sich die Teilnehmerstaaten darauf, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, um einen katastrophalen Klimawandel zu vermeiden. Offen ist jedoch, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Die Begrenzung des Temperaturanstiegs erfordert die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Das verursacht für die beteiligten Länder Kosten und es ist unklar, welches Land wie viel von diesen Kosten übernehmen soll. Im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen wird oft gefordert, dass die Lasten gerecht verteilt werden sollten. Die Industrieländer seien reicher als die Entwicklungsländer und könnten daher höhere Lasten schultern. Sie trügen durch ihre hohen historischen Treibhausgasemissionen zudem eine besondere Verantwortung für die Lösung des Problems. Inwieweit diese Ungleichheit unter den Staaten den Willen zum gemeinsamen Klimaschutz beeinträchtigt, hat eine Forschergruppe unter Leitung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg, der London School of Economics und der Universitat Autònoma de Barcelona mit Hilfe von ökonomischen Laborexperimenten untersucht. ZEW-Wissenschaftlerin Dr. Astrid Dannenberg, die die Federführung bei diesen Experimenten inne hatte, zur Aussagekraft ökonomischer Experimente: „Experimente sind besonders gut geeignet, um die Kooperationsbereitschaft in bestimmten Situationen zu testen, da sie die vollständige Kontrolle der Laborumgebung zulassen und die Teilnehmer gleichzeitig mit realen Kosten und Gewinnen konfrontieren. In unserem Experiment wollten wir die Problemstellung der Klimapolitik nachempfinden. Industrie- und Entwicklungsländer müssen insgesamt genügend Geld in den Klimaschutz investieren, um am Ende einen kollektiven Schaden für alle zu vermeiden.“

Im Experiment wurden die Teilnehmer zunächst in Gruppen zu je sechs Personen aufgeteilt. Danach waren die Teilnehmer aufgefordert, in ihren Gruppen in mehreren Verhandlungsrunden genügend Geld zusammen zu bringen, um Maßnahmen für den Klimaschutz finanzieren und so die Klimaerwärmung auf maximal zwei Grad begrenzen zu können. Hatte eine Gruppe am Ende der Verhandlungsrunden das vorgegebene Finanzierungsziel erreicht, so wurde den Spielern das ihnen verbliebene, nicht in den Klimaschutz investierte Geld komplett ausgezahlt. Hatte eine Gruppe das Ziel nicht erreicht, gingen die Ersparnisse mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent verloren, das heißt die Mitglieder jeder zweiten Gruppe, die sich nicht einigen konnte, gingen leer aus.

Um die Ungleichheit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu simulieren, wurden die Spieler zu Beginn mit unterschiedlichem Vermögen ausgestattet. Die Ergebnisse des mit 240 Studenten durchgeführten Experiments zeigen, dass Ungleichheit zwischen den Spielern die Erreichung des gemeinsamen Ziels erschwert. Das Ziel wurde häufiger erreicht, wenn alle Teilnehmer zu Beginn mit dem gleichen Vermögen ausgestattet waren. Gab es dagegen reiche und arme Spieler, dann waren die Gruppen weniger erfolgreich: Die reichen Spieler gaben oft nicht viel mehr als die armen. Die armen Spieler wiederum waren nicht bereit, entsprechend mehr beizutragen, um die fehlenden Beiträge zu kompensieren. Es zeigte sich deutlich, dass die reichen und armen Spieler eine unterschiedliche Auffassung über eine faire Verteilung der Lasten hatten. Wenn die Spieler miteinander kommunizieren konnten, fiel ihnen die Koordination ihrer Investitionen deutlich leichter als ohne diese Möglichkeit. Sie konnten sich dann darüber verständigen, wer mehr und wer weniger beitragen sollte. Doch auch wenn es die Möglichkeit zur Kommunikation gab, erreichten nur jene Gruppen das vorgegebene Ziel, die sich über die gerechte Verteilung der Lasten einigen konnten. In diesen Gruppen haben die reichen Spieler frühzeitig ihren Willen bekundet, größere finanzielle Lasten zu schultern, und diese Ansage auch umgesetzt. Gruppen, in denen reiche Spieler quasi als Vorreiter gleich am Anfang mehr eingezahlt haben, waren bei der Erreichung des gemeinsamen Ziels letztlich überdurchschnittlich erfolgreich.

„Zusammenfassend zeigt unser Experiment, dass ungleiche wirtschaftliche Möglichkeiten und eine ungleiche Verantwortung für das Problem ein großes Hindernis für die Kooperationsbereitschaft und damit für die Lösung des Klimaproblems darstellen“, sagt Professor Dr. Andreas Löschel, Leiter des Forschungsbereichs Umwelt- und Ressourcenökonomik am ZEW und Professor am Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg. „Erfolgreiche Gruppen waren dadurch gekennzeichnet, dass die Ungleichgewichte im Verlauf des Spiels abgebaut wurden. Haben die reichen Spieler frühzeitig eine Vorreiterrolle übernommen, so wurde das Ziel mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht. Uneinigkeit über die Behandlung der Ungleichheit, wie sie zum Teil auch in den realen Klimaverhandlungen beobachtet werden kann, führte in unseren Experimenten dagegen oftmals zum Scheitern der Gruppe.“

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Dr. Astrid Dannenberg, E-Mail dannenberg@zew.de

Prof. Dr. Andreas Löschel, Telefon 0621/1235-200, E-Mail loeschel@zew.de