Italien ist „too big to fail“ – und die Eurozone damit erpressbar
KommentarDetails aus den Verhandlungen zwischen der rechtspopulistischen Partei Lega Nord und der „Fünf Sterne“-Bewegung zur Bildung einer Koalitionsregierung in Italien haben die Finanzmärkte verschreckt: Pläne über massive Ausgabesteigerungen und Steuererleichterungen, aber vor allem die Forderung nach einem Erlass von italienischen TARGET-Verbindlichkeiten in Höhe von 250 Milliarden Euro verursachen Verunsicherung. Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, kommentiert die Entwicklung.
„Das sich abzeichnende Regierungsprogramm in Italien ist aus Sicht der beiden Parteien vollständig rational. Italiens Populisten spielen einen Trumpf aus, dem die Eurozone wenig entgegen zu setzen hat: Italien ist anders als Griechenland ‚too big to fail‘. Die Eurozone ist damit erpressbar, weil sie einen finanziellen Kollaps von Italiens Staat und Banken um nahezu jeden Preis verhindern muss. Selbst wenn der TARGET-Schuldenerlass unrealistisch ist, würde eine populistische Regierung mit hoher Wahrscheinlichkeit den Stabilitäts- und Wachstumspakt endgültig beerdigen. Zwei Kardinalfehler der Euro-Politik rächen sich nun.
Erstens haben Europäische Kommission und Eurogruppe in den vergangenen Jahren in der Anwendung des Stabilitätspakts zu viel Rücksicht auf drohende Wahlerfolge von Populisten genommen. Das hat die Wähler ermutigt, diese Parteien zu wählen. Zweitens hat Europa bislang keine Strategie für den Umgang mit Staatspleiten entwickelt. Die von vielen Ökonomen seit langem geforderte Etablierung eines Insolvenzsystems für Eurostaaten wurde tabuisiert.
Ebenso wurde bislang nichts unternommen, die unverantwortlich hohe Konzentration von Staatsanleihen in den Bankbilanzen zu verringern. Wenn es jetzt zum Poker zwischen einer neuen Regierung in Rom und der Eurogruppe kommt, ist völlig unklar, wer gewinnt. In jedem Fall droht eine lange Phase der Unsicherheit und ein weiterer Reputationsschaden für den Euro.“
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Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Telefon 0621/1235-149, E-Mail friedrich.heinemann@zew.de