Mit dem Brexit ist eine Konzentration der knappen Mittel auf wirkliche europäische Aufgaben unabdingbar
KommentarZEW-Ökonom Friedrich Heinemann im Europaausschuss des Bundestages zum EU-Haushalt
Mit Blick auf vielfältige neue Herausforderungen sollte die Europäische Union ihren Haushalt im Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) nach 2020 neu ausrichten. Eine grundlegende Korrektur des europäischen Budgets in Richtung eines nachweisbaren europäischen Mehrwerts ist überfällig. Die bisherige Ausgabenstruktur begünstigt vor allem Politikfelder wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die Kohäsionspolitik, deren europäischer Nutzen zweifelhaft ist. Stattdessen sollte sich der EU-Haushalt eher auf die Finanzierung solcher Politiken konzentrieren, die einen nachweisbaren europäischen Mehrwert schaffen. Diese Position hat Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" am ZEW Mannheim, heute bei einer Expertenanhörung im Europaausschuss des Bundestages in Berlin zum nächsten MFR deutlich gemacht.
„Die EU hat mit der bisherigen Struktur des europäischen Haushalts die falschen Finanzierungsschwerpunkte gesetzt. Nicht zuletzt mit dem Brexit – und damit dem Wegfall eines großen Nettobeitragszahlers – ist nun eine Konzentration der knappen Mittel auf die wirklichen europäischen Aufgaben unabdingbar.
Ziel muss es sein, den EU-Haushalt wieder stärker auf Politikfelder mit erkennbarem europäischem Mehrwert auszurichten. Das ist beim dominierenden Haushaltsposten, der GAP, sowie bei Teilen der Kohäsionspolitik nicht der Fall. Die GAP-Direktzahlungen sollten daher entweder abgeschmolzen werden und perspektivisch ganz auslaufen oder aber in ein Instrument zur Bepreisung messbar erbrachter europäischer Umweltgüter transformiert werden.
Die Kohäsionspolitik der EU krankt an einer Inflation der Zielsetzungen und hat sich bereits weit von ihrem ursprünglichen Konvergenzziel entfernt. Eine Konzentration der Kohäsionspolitik auf wirklich bedürftige Regionen ist angeraten. Nur so lässt sich auf Dauer eine ‚Konvergenzrendite‘ – eine Verringerung der Kohäsionsbudgets bei fortschreitender Konvergenz – erzielen. Eine von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Kopplung der Kohäsionsmittel an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards in den Empfängerländern ist richtig, um eine erfolgversprechende Konvergenzpolitik zu gewährleisten.
Die Bundesregierung sollte in den Finanzverhandlungen klarere Signale als bisher senden. Einerseits verteidigt sie die bisherigen hohen Budgets in der Agrarpolitik und Kohäsionspolitik, andererseits fordert sie eine stärkere Orientierung der Ausgaben an Politikfeldern mit klarem europäischen Mehrwert, lehnt aber eine Erhöhung von deutschen Nettozahlungen über den Effekt des Brexits hinaus ab. Eine solche Verhandlungsstrategie ist nicht konsistent.“