Mitbestimmung fördert atypische Beschäftigungsverhältnisse

Forschung

Die starke Reglementierung des deutschen Arbeitsmarkts hält viele Unternehmen davon ab, unbefristete Vollzeitjobs zu schaffen.

Vor allem die hohen Hürden des Kündigungsschutzgesetzes und die betriebliche Mitbestimmung führen dazu, dass Unternehmen auf Mitarbeiter mit befristeten Verträgen, Leiharbeiter sowie auf freie Mitarbeiter oder geringfügig Beschäftigte zurückgreifen, wann immer es irgend geht. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

In der Studie wurde auf der Basis des Betriebspanels des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit untersucht, unter welchen Umständen westdeutsche Unternehmen es vorziehen, Arbeitskräfte mit befristeten Verträgen, Leiharbeiter oder freie Mitarbeiter zu beschäftigen. Die ökonomische Theorie liefert hierzu mehrere Hypothesen. Sie basieren meist auf den Anpasssungskosten, die den Unternehmen insbesondere dann entstehen, wenn sie Entlassungen bei unbefristet Vollzeitbeschäftigten vornehmen müssen. Die dann entstehenden Kosten sind zum Teil durch das Arbeitsrecht verursacht, etwa durch die Sozialplanvorschriften, durch Kündigungsfristen oder die Einschaltung des Betriebsrats. Um dem auszuweichen, ziehen es die Unternehmen vor, wo immer es geht, auf andere Beschäftigungsformen auszuweichen.

Die ZEW-Studie hat diese theoretischen Überlegungen nun empirisch bestätigt. Dazu wurden die Effekte der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes (KschG) im Jahre 1996 näher untersucht. Während bis zu diesem Zeitpunkt das KschG nur in Betrieben mit bis zu fünf Arbeitnehmern nicht galt, befanden sich nach der Gesetzesänderung auch Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten nicht mehr im Geltungsbereich des KschG. Falls durch das Gesetz verursachte Entlassungskosten also tatsächlich wichtig sind, müssten die Betriebe, die nach der Reform nicht mehr in den Geltungsbereich des KschG fielen, weniger atypische Beschäftigung wie Leih- oder Zeitarbeit sowie befristete Beschäftigungsverhältnisse eingesetzt haben als vor der Reform. Bei den anderen, nicht von der Reform betroffenen Betrieben dürften sich dagegen keine Änderungen zeigen.

Für die befristete Beschäftigung wird diese Vermutung in der empirischen Analyse in der Tat bestätigt. Betriebe, die 1996 aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzes fielen, setzen mit geringerer Wahrscheinlichkeit befristete Verträge ein als vorher. Für freie Mitarbeiter und Leiharbeiter findet sich dagegen kein solcher Zusammenhang. Offenbar herrscht zwischen regulären und befristeten Arbeitskräften eine engere Substitutionsbeziehung als zwischen regulären Arbeitskräften und Zeitarbeitnehmern oder freien Mitarbeitern. Auch die Existenz eines Betriebsrats erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Betrieb vermehrt befristete Verträge einsetzt. Dies steht im Einklang mit der Hypothese, wonach die Mitbestimmung die Entlassungskosten permanent Beschäftigter erhöht, was einen Anreiz für die Unternehmen schafft, bevorzugt befristete Arbeitsverträge abzuschließen.

Ansprechpartner

Dr. Bernhard Boockmann, E-Mail: boockmann@zew.de

Prof. Dr. Tobias Hagen, E-Mail: hagen@zew.de