Neues Energieeffizienz-Etikett der EU ist für Verbraucher wenig informativ
ForschungMit der Einführung eines neuen Energieeffizienz-Etiketts will die EU-Kommission die europäischen Verbraucher verstärkt zum Kauf Strom sparender Geräte motivieren. Dieses Vorhaben könnte allerdings sein Ziel verfehlen. Eine aktuell vorgelegte Studie zeigt, dass bei Elektrogeräten mit dem neuen Etikett der sparsame Stromverbrauch als Kaufkriterium ein deutlich geringeres Gewicht für die Konsumenten hat als bei Geräten, auf denen noch das bisher verwendete Etikett klebt. Auch die Bereitschaft der Verbraucher, für ein Gerät, das mit Strom besonders sparsam umgeht, tiefer in die Tasche zu greifen, nimmt ab, wenn dieses mit dem neuen Etikett gekennzeichnet ist. Erstellt wurde die Studie von Stefanie Heinzle und Rolf Wüstenhagen (Universität St. Gallen) im Rahmen eines Forschungsprojekts unter Federführung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Sie vergleicht anhand entsprechend gekennzeichneter TV-Geräte die Wirkung auf Konsumenten, die vom derzeit üblichen Label ausgeht, mit der Wirkung des neuen Labels.
Zu Beginn des Jahres hat die EU-Kommission entschieden, dass für hochwertige Elektrogeräte wie etwa Kühlschränke und Kühltruhen künftig das neue Energieeffizienz-Kennzeichen gelten soll. Es baut auf dem bisherigen Label auf. Die 7-stufige Skala, die bislang einen niedrigen Stromverbrauch durch ein grünes A und einen hohen Energiebedarf durch ein rotes G kenntlich macht, wird beim neuen Label durch die Kategorien A-20%, A-40% und A-60% erweitert (siehe Abbildungen am Ende der Pressemitteilung). Ist ein Produkt beispielsweise mit A-60% ausgezeichnet, hat es die höchste Energieeffizienzstufe erreicht. Ein Kühlschrank etwa, der eine A-60% trägt, verbraucht 60 Prozent weniger Strom als ein mit A ausgewiesener Kühlschrank. Diese Erweiterung nimmt die EU-Kommission vor, um zusätzliche Differenzierungsmöglichkeiten zu schaffen, da im Laufe der Zeit viele Geräte mit A klassifiziert sind, der Stromverbrauch der Geräte in dieser Kategorie aber zunehmend streut. Die Alternative bestünde darin, das alte Energieeffizienzlabel dynamisch dem technischen Fortschritt anzupassen und das A-Label nur an die besten Geräte zu vergeben.
Derzeit wird auf EU-Ebene darüber gestritten, ob das modifizierte Label in Zukunft auch den Stromverbrauch von Fernsehgeräten dokumentieren soll. Dies haben Universität St. Gallen und ZEW zum Anlass genommen, das Kaufverhalten von Verbrauchern in Deutschland zu untersuchen. Die Ergebnisse beruhen auf der Auswertung von 2148 Wahlentscheidungen, die durch die Gesellschaft für Konsumforschung erhoben wurden. Die befragten Konsumenten wurden in zwei gleichstarke Gruppen geteilt, die ähnliche sozioökonomische Merkmale wie Einkommen, Alter und Geschlecht aufwiesen. In einer computergestützten Simulation hatten die Umfrageteilnehmer die Wahl, verschiedene TV-Geräte zu kaufen. Die Geräte unterschieden sich hinsichtlich der technischen Ausstattung, der Marke, des Preises und schließlich des Energieverbrauchs. Diesen konnten die Testpersonen der ersten Gruppe anhand des bislang handelsüblichen Kennzeichens zur Energieeffizienz erkennen, also der Energieeffizienzklassen A bis D. Für die Probanden der zweiten Gruppe dokumentierte das neue Label den Stromverbrauch des jeweiligen TV-Gerätes mit einer Differenzierung von A bis A-60%.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Konsumenten, die sich zwischen Geräten mit dem neuen Kennzeichen entscheiden mussten, dem Stromverbrauch deutlich weniger Gewicht bei der Kaufentscheidung einräumten als die Konsumenten der ersten Gruppe. Zwar war in beiden Gruppen der Preis des Fernsehers das wichtigste und die Energieeffizienz des Gerätes das zweitwichtigste Kaufkriterium, dann erst folgten die technische Ausstattung und die Marke des Geräts. Die Berechnungen der Wissenschaftler legen jedoch offen, dass in der ersten Gruppe, also der Gruppe mit dem alten Label, das Energieeffizienz-Kennzeichen einen zehn Prozent stärkeren Einfluss auf die Kaufentscheidung der Konsumenten hatte als in der Gruppe mit dem neuen Label.
Auch die Bereitschaft, für einen Energie sparenden Fernseher in das Portemonnaie zu greifen, war bei den Konsumenten der ersten Gruppe viermal höher als bei denjenigen, die Geräte mit neuem Energieeffizienz-Label zur Auswahl hatten. In der ersten Gruppe waren die Verbraucher bereit, einen Preisaufschlag von im Schnitt 132 Euro zu bezahlen, um statt eines Geräts mit Energieeffizienz-Label B ein Gerät der Energieeffizienzklasse A zu erhalten. Die Konsumenten der zweiten Gruppe akzeptierten dagegen nur einen Preisaufschlag von 28 Euro, um ein TV-Gerät der Energieeffizienzklasse A-20% statt eines der Klasse A zu erwerben. Demnach nimmt die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für Energie sparende Geräte ab, die Präferenzen der Kunden verschieben sich stattdessen hin zu möglichst günstigen Geräten.
"Das neue Energieeffizienz-Kennzeichen scheint die Verbraucher eher zu verwirren, anstatt ihnen als Orientierungshilfe bei der Auswahl von Elektrogeräten zu dienen", interpretiert Klaus Rennings, Wissenschaftler am ZEW und Koordinator des Projektes SECO@home, in dessen Rahmen die Studie stattfand, die Ergebnisse. "Damit wirkt das neue Label kontraproduktiv. Denn das Ziel des Labels, den Absatz verbrauchsarmer und damit klimafreundlicher Geräte zu fördern, wird nicht nur verfehlt, sondern auch umgedreht. Zentral für die Wirksamkeit des alten Energielabels ist allerdings, dass - wie in der Untersuchung angenommen - eine dynamische Anpassung an den technischen Fortschritt stattfindet, damit nicht 90 Prozent der Geräte ein A-Label besitzen."
"Die feinen Abstufungen des neuen Labels geben dem Kunden bezüglich Energieverbrauch offenbar zu verstehen: "alles im grünen Bereich". Darum wendet er sich in seiner Kaufentscheidung anderen Eigenschaften zu – etwa einem niedrigen Preis. Für die Hersteller wird das neue Label so zum Bumerang", ergänzt Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen, der die Befragung an der Universität St. Gallen betreute.
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