Preiserhöhungen für die "letzte Meile" fördern die Nachfrage nach schnellem Breitbandinternet
ForschungErhöht sich die Miete für die letzte Meile, dann steigt die Nachfrage nach schneller, glasfaserbasierter Internettechnologie durch die Haushalte. Darüber hinaus hat ein solcher Preisanstieg zur Folge, dass kupferbasierte, langsamere Internetleitungen verstärkt durch schnelle Glasfaserkabel ersetzt werden. Trotz dieser positiven Effekte reicht es allerdings nicht aus, dass die Politik lediglich an der Preisschraube dreht, um den glasfaserbasierten Ausbau von schnellem Breitband und die Nachfrage nach entsprechenden Breitbanddiensten in der EU oder auf nationaler Ebene voranzutreiben. Vielmehr müssen insbesondere auf Verbraucherseite noch weiter Instrumente hinzukommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die die Preisgestaltung für die letzte Meile EU-weit untersucht.
Bei Breitband und Telefon bezeichnet die letzte Meile das letzte Stück einer Leitung, den direkten Hausanschluss zum Kunden. Dessen Eigentümer ist in der Regel der ehemalige Monopolist wie etwa die Deutsche Telekom. Sie vermietet die Leitung zum Kunden an alternative Anbieter. Festgesetzt wird der Mietpreis von einer staatlichen Regulierungsbehörde.
Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben es sich zum Ziel gesetzt, den Ausbau der glasfaserbasierten Leitungen für schnelles Internet, in der EU deutlich voranzutreiben. Dazu müssen sie die Haushalte verstärkt dazu bewegen, von der alten auf die neue Technologie umzusteigen und gleichzeitig die Netzbetreiber veranlassen, in ein modernes Leitungsnetz zu investieren. So soll laut Digitaler Agenda der EU bis zum Jahr 2020 eine Breitbandabdeckung mit 30 Mbit/s oder mehr für alle EU-Bürger erreicht werden (Angebotsseite). Darüber hinaus sollen 50 Prozent der EU-Haushalte über einen Internetzugang mit über 100 Mbit/s verfügen (Nachfrageseite).
Wechsel auf Breitbandtechnologie hat Preisvorteile für Endkunden
Wie die Modellrechnungen des ZEW zeigen, stimuliert eine Erhöhung der Miete für die letzte Meile um einen Euro die Nachfrage der Haushalte nach schnellem, glasfaserbasiertem Breitbandinternet EU-weit (EU 27) um 1,5 Prozent. Werden nur die Länder der EU-15 in den Blick genommen, steigt die Nachfrage aufgrund des Preisanstiegs sogar um 2,3 Prozent. Dass die Haushalte bei einem Anstieg des Mietpreises für die letzte Meile verstärkt Breitbandtechnologie nachfragen, liegt daran, dass die alternativen Anbieter die Preiserhöhung in der Regel zum Großteil an die Verbraucher weitergeben. Dadurch wird es für die Endkunden attraktiver, von der veralteten kupferbasierten Technologie auf die deutlich bessere glasfaserbasierte Technologie umzusteigen ("business migration" Effekt), denn der relative Preis steigt für die alte Technologie.
Während eine Preiserhöhung für die letzte Meile deutliche Nachfrageeffekte für die EU-15 aufweist, ist dies in den Ländern Osteuropas nicht der Fall. Dies liegt vor allem daran, dass Osteuropa kaum über ein gut etabliertes Kupferleitungsnetz verfügt, das durch neue, leistungsstarke Glasfasernetze modernisiert werden könnte. "Entsprechend kann die Preisgestaltung der letzten Meile hier kaum Impulse setzen", sagt Dr. Wolfgang Briglauer, Netzökonom am ZEW und einer der beiden Autoren der vorliegenden Studie.
"EU braucht weitere Instrumente, um Breitbandinternet voranzutreiben"
Allein auf die Wirkung von Preisen sollte die Politik bei der Umsetzung der Digitalen Agenda indessen nicht setzen. So werden die Investitionen in Breitbandinternet in noch stärkerem Maße durch eine Preiserhöhung der Miete der letzten Meile stimuliert als die Nutzung durch die Haushalte. In der Folge besteht die Gefahr, dass sich die bereits vorhandene Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ("take-up" Rate) nach schnellem Internet in der EU weiter auftut. „Diese Entwicklung will die Politik im Rahmen ihrer Breitbandstrategie aber gerade verhindern,“ sagt ZEW-Ökonom Briglauer. „Wenn die EU Angebot und Nachfrage nach Breitbandinternet gleichermaßen vorantreiben will, wird zumindest noch ein weiteres Instrument, das vor allem auf die Verbraucher zielt, neben dem Entgelt für die letzte Meile benötigt. Hierzu würden sich etwa Steuervergünstigungen oder auch ein Gutscheinsystem eignen,“ schlägt ZEW-Ökonom Briglauer vor.
Die Studie basiert auf umfangreichen Datensätzen zur Nutzung und zum Ausbau von schnellen Breitbandtechnologien in 27 EU-Mitgliedsländern. Die Daten stammen unter anderem von FTTH Council Europe, Eurostat, EU Digital Agenda Scoreboard sowie Euromonitor. In die Modellrechnungen flossen Daten für die Jahre 2003 bis 2014 ein.
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Dr. Wolfgang Briglauer, Tel. 0621 1235-279, E-Mail briglauer@zew.de