Stellungnahme von ZEW-Präsident Wolfgang Franz - Einführung gesetzlicher Mindestlöhne würde Arbeitsplätze kosten

Kommentar

Derzeit wird in Deutschland erneut über gesetzliche Mindestlöhne diskutiert. Nach Ansicht des Präsidenten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz, würde deren Einführung allerdings vor allem zu Arbeitsplatzverlusten führen und die Bemühungen, gering qualifizierten Arbeitslosen Arbeitsplatzchancen zu eröffnen, zusätzlich erschweren.

In der aktuellen Debatte wird im Mindestlohn zum einen ein Instrument gegen "Lohndumping" gesehen, zum anderen soll er Befürchtungen entgegenwirken, bei einer möglichen Einführung von Kombilöhnen betrieben die Unternehmen massive Lohnsenkungen auf Kosten der Systeme der sozialen Sicherheit. Auf den Begriff des "Lohndumping" wird insbesondere in der Diskussion über die EU-Dienstleistungsrichtlinie gerne zurückgegriffen. Oft wird hier als Beispiel angeführt, dass polnische Fleischer vor etwa einem Jahr ihre Arbeit auf Schlachthöfen in Deutschland zu den wesentlich geringeren polnischen Lohnsätzen anboten und in der Tat deutsche Fleischer von ihren Arbeitsplätzen verdrängten. Sofort erhob sich auch damals der Ruf nach gesetzlichen Mindestlöhnen in Höhe der hiesigen diesbezüglichen Arbeitsentgelte, um die Arbeitsplätze deutscher Schlachter zu sichern. Eine solche Arbeitsplatzsicherung hält nach Auffassung von Wolfgang Franz aber nicht, was sie verspricht. Vielmehr wäre die Folge, dass dann zu den niedrigeren Löhnen im Ausland, also in diesem Fall in Polen geschlachtet würde. Das preiswerte Fleisch käme anschließend als Importgut wieder nach Deutschland zurück und die Arbeitsplatzverluste blieben dieselben. Nur die Erhebung eines Importzolls auf polnische Fleischprodukte könnte dem entgegenwirken, wohlgemerkt: ein Einfuhrzoll innerhalb der EU. Daran schlösse sich dann aber folgerichtig die Frage an, weshalb ein solcher Zoll nur Fleischprodukte betreffen sollte. Diese Fragestellung zeigt für Wolfgang Franz bereits die ganze Unsinnigkeit von Mindestlöhnen. Aber auch bei Dienstleistern, wie etwa Friseuren, sind Mindestlöhne problematisch, denn sie beeinträchtigen den Wettbewerb - zu Lasten der Verbraucher.

Das andere Problem, zu dessen Lösung ein Mindestlohn angeblich dienen soll, besteht in der Absicherung der finanziellen Risiken von Kombilöhnen. Wenn sie in Form einer Lohnsubvention an Arbeitnehmer ausgestaltet werden, um deren Anreize zur Aufnahme eines Arbeitsplatzes im Niedriglohnsektor zu erhöhen, könnten, so die Begründung für einen Mindestlohn, die Arbeitgeber versucht sein, die Löhne zu drücken. Da die staatlichen Unterstützungszahlungen entsprechend ansteigen, erlitten zwar die betroffenen Arbeitnehmer direkt keinen Schaden, wohl aber entstünden unkalkulierbar hohe Sozialleistungen. Eine solche Vermutung sollte nun aber wirklich nicht zur Einführung von Mindestlöhnen führen, sondern dazu, das Instrument Kombilohn noch einmal sorgfältig auf den Prüfstand zu stellen. "Es macht keinen Sinn, die unerwünschten Nebenwirkungen eines fragwürdigen zusätzlichen Medikaments, dem Kombilohn, mit Hilfe einer anderen untauglichen Arznei, dem Mindestlohn, beseitigen zu wollen", stellt Wolfgang Franz klar.

Auch die Erfahrungen Frankreichs mit dem Mindestlohn sollten nach Ansicht von Wolfgang Franz zu denken geben. So habe dessen Einführung dort wesentlich zu einem beträchtlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit gering qualifizierter Jugendlicher beigetragen. Trotz dieser Einwände verweisen die Verfechter eines Mindestlohns regelmäßig auf die angeblich guten Erfahrungen anderer Länder mit einem Mindestlohn bei gleichzeitig erfreulicher Beschäftigungslage. Eine solche Schlussfolgerung hält Wolfgang Franz aus drei Gründen für irreführend. Erstens ist eine positive Arbeitsmarktbilanz in jenen Ländern noch lange kein Beweis für die vermeintlich segensreichen Wirkungen eines Mindestlohns. Ohne diesen wäre die Arbeitslosigkeit dort vielleicht sogar noch niedriger. Zweitens ist die Bindungswirkung des Mindestlohns in vielen Ländern nur gering. In den Vereinigten Staaten beispielsweise fällt nur ein Teil der Unternehmen unter eine Mindestlohngesetzgebung, und die Sanktionsmaßnahmen bei Verstößen sind in der Regel moderat. Außerdem wird der in Dollar festgesetzte Mindestlohn nur in größeren Zeitabständen erhöht, verliert also bei Preissteigerungen in realer Betrachtung allmählich seine Bindungswirkung. Drittens ist der Mindestlohn in einigen Ländern die dort nicht oder nur unzureichend vorhandene Mindesteinkommenssicherung. Eine solche existiert in Deutschland jedoch bereits etwa in Form des Arbeitslosengelds II.

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