„Steuerliche Anreize nicht isoliert betrachten“

Kommentar

ZEW-Ökonomin Katharina Nicolay zu Steuervorteilen für ausländische Fachkräfte

Die Bundesregierung bereitet im Rahmen des Haushalts 2025 ein Wachstumspaket vor, das unter anderem Steuervorteile für ausländische Fachkräfte vorsieht. Dr. Katharina Nicolay, stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am ZEW Mannheim, erklärt zu den möglichen Steuervorteilen für ausländische Fachkräfte:

„Sonderregelungen für die Besteuerung verschiedener Personengruppen wie ausländische Fachkräfte, Hochverdiener oder Rentner sind in der EU bereits weit verbreitet. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Zielsetzung (Steuerbasis abwerben versus Fachkräftemangel bekämpfen) und ihrer Ausgestaltung (Dauer und Höhe der Ermäßigung). Die für Deutschland diskutierte Regelung, bei der Fachkräfte über drei Jahre gestaffelt zunächst 30 Prozent, dann 20 Prozent und zuletzt 10 Prozent Ermäßigung erhalten, liegt hinsichtlich ihrer Großzügigkeit eher an der Untergrenze. Für Länder, die ähnliche Regelungen bereits implementiert haben, kann die Wirksamkeit auf die Zuwanderung empirisch nachgewiesen werden. Es ist jedoch zu erwarten, dass mit zunehmender Verbreitung solcher Sonderregelungen der Nutzen einer weiteren Einführung abnimmt.

Bei der Beurteilung dieser Sonderregelungen im internationalen Kontext sind zwei alternative Sichtweisen denkbar. Einerseits könnten die unterschiedlichen, nicht harmonisierten Einkommensteuer- und Sozialversicherungssysteme in der EU ein Mobilitätshindernis für Fachkräfte darstellen.  Je nach Ausgestaltung kann ein steuerlicher Anreiz diese negativen Auswirkungen auf die Mobilitätsentscheidung reduzieren. Andererseits stellen diese Ermäßigungen bei der Einkommensteuer  ein mögliches Instrument im Wettbewerb dar, um dringend benötigte Fachkräfte anzuziehen. Die unilaterale, unkoordinierte Einführung bzw. Ausweitung dieser Sonderregelungen kann jedoch in einen schädlichen Steuerwettbewerb münden, da die negativen Auswirkungen auf die anderen Mitgliedsstaaten (Aufkommensverluste, Abwanderung von Fachkräften) nicht berücksichtigt werden. Im Bereich der Unternehmensbesteuerung hat sich Deutschland bislang häufig kritisch gegenüber einem schädlichen Steuerwettbewerb positioniert (z.B. bei den sogenannten IP-Boxen).

Steuerliche Anreize für die Zuwanderung von Fachkräften sollten nicht isoliert von weiteren Maßnahmen diskutiert werden. Die Rahmenbedingungen, die die Fachkräfte in Deutschland vorfinden, beispielsweise den Mangel an zuverlässigen Kinderbetreuungsplätzen, die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt oder die langen Verwaltungsprozesse bei der Anerkennung von Qualifikationen, beeinflussen die Attraktivität eines Standorts ebenfalls.“