Unternehmensnahe Dienstleister im Aufwind
ForschungDas Jahr 1999 hat für die unternehmensnahen Dienstleister einen äußerst versöhnlichen Abschluss genommen: Mit einer saisonbereinigten jährlichen Umsatzwachstumsrate von 4,9 Prozent im letzten Quartal 1999 orientiert sich die Konjunktur der unternehmensnahen Dienstleister nun wieder in Richtung der Spitzenwerte von Mitte 1998. Damals lag die saisonbereinigte jährliche Umsatzwachstumsrate bei 5,4 Prozent.
Das Jahr 1999 hatte für die unternehmensnahen Dienstleister wenig verheißungsvoll begonnen. Im ersten Quartal 1999 war die Umsatzwachstumsrate von 5,1 Prozent auf 3,5 Prozent gesunken, so stark wie noch nie, seitdem die konjunkturelle Lage der unternehmensnahen Dienstleister vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, und vom Verband der Vereine Creditreform, Neuss, mit einer Konjunkturumfrage beobachtet wird. Nach einer Stabilisierung der Lage im zweiten Quartal 1999 hatte sich das Umsatzwachstum im dritten Quartal wieder beschleunigt. Zum Jahresende hat die Konjunktur bei den unternehmensnahen Dienstleistern nun wieder deutlich an Fahrt gewonnen. Die Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs beurteilen Umsatz und Nachfrage nun fast wieder so optimistisch wie vor der Konjunkturdelle Anfang 1999. Trotz einer saisonbereinigt und im Vergleich zu den Vorquartalen kräftigen Aufwärtsentwicklung konnten die Erträge bislang noch nicht wieder an die äußerst positive Beurteilung von Mitte 1998 herankommen. Bei der Personalentwicklung zeigt sich ein stabiler Aufwärtstrend. Seit dem dritten Quartal 1996 überwiegt der Anteil der unternehmensnahen Dienstleister, die Personal neu einstellen, den Anteil der unternehmensnahen Dienstleister, die Personal entlassen. Allerdings haben trotz der verbesserten Einschätzungen von Umsatz, Nachfrage und Ertrag im letzten Quartal 1999 saisonbereinigt etwas weniger unternehmensnahe Dienstleister Personal neu eingestellt als im Vorquartal. Die Aufwärtsentwicklung im Personalbestand ist jedoch insgesamt unverkennbar.
Diese Ergebnisse gehen aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, in Zusammenarbeit mit dem Verband der Vereine Creditreform, Neuss, im Dezember 1999 bei über 1.100 unternehmensnahen Dienstleistern durchgeführt hat. Zum Wirtschaftszweig unternehmensnahe Dienstleistungen zählen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Architekten, technische Planer, Kfz-Vermieter, Maschinenvermieter, Speditions- und Logistikunternehmen, EDV-Dienstleister, Werbeagenturen sowie Unternehmen der Abfallwirtschaft.
Perspektiven für das Jahr 2000
Für das erste Quartal 2000 rechnen die unternehmensnahen Dienstleister mit einem Anhalten der guten konjunkturellen Lage. Weitere wesentlichen Verbesserungen im Vergleich zum letzten Quartal 1999 erwarten sie allerdings nicht. Nur die Ertragserwartungen haben sich saisonbereinigt aber leicht verbessert. Bei den Erwartungen hinsichtlich Personalbestand und bei der Nachfrage gibt es kaum Veränderungen. Für Preise und Umsätze erwarten die unternehmensnahen Dienstleister eine etwas weniger optimistischer Entwicklung als in den Vorquartalen.
Mittelfristig kann aufgrund der anziehenden gesamtwirtschaftlichen Lage mit einem Anhalten des Aufwärtstrends bei den unternehmensnahen Dienstleistern gerechnet werden. Nach einer Stagnation der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im ersten Halbjahr 1999 ist es im Sommer zu einer deutlichen Belebung der deutschen Wirtschaft gekommen. Derzeit deuten alle wichtigen Indikatoren darauf hin, dass sich die konjunkturelle Belebung auch im Jahr 2000 fortsetzen wird.
Von der konjunkturellen Belebung bleibt das Baugewerbe bislang ausgenommen. Allerdings mehren sich die Anzeichen dafür, dass der lang erwartete Aufschwung der Baukonjunktur tatsächlich bald einsetzen wird. Von dieser Trendwende könnten vor allem die Architekten und technischen Planer profitieren, die mittlerweile die Unternehmen der Abfallwirtschaft als Konjunkturschlusslicht der unternehmensnahen Dienstleister abgelöst haben. Architekten, technische Planer und die Abfallwirtschaft sind die einzigen Branchen der unternehmensnahen Dienstleister, in denen per Saldo häufiger Personal entlassen als neu eingestellt wird. Doch nicht nur bei Architekten und technischen Planern könnte es im neuen Jahr zu einer Konjunkturwende kommen. Die geplante EU-Verordnung zur Entsorgung von gebrauchten Elektrogeräten wird für zusätzliche neue Impulse für die Abfallwirtschaft sorgen.
Das Auslaufen der Sonderkonjunktur durch die Umstellungen auf den Euro und auf das Jahr 2000 hat zu einem leichten Nachlassen der Dynamik bei den EDV-Dienstleistern und Unternehmensberatern geführt. Nach wie vor beurteilen diese beiden Branchen ihre konjunkturelle Lage jedoch als äußerst positiv. Die ungebrochene Nachfrage nach Standardsoftwareprogrammen und die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die steigende Bedeutung von e-commerce wird trotz des nachlassenden Wachstums für ein Anhalten der insgesamt sehr guten konjunkturellen Lage sorgen.
Spediteure im Aufwind
In einer glänzenden wirtschaftlichen Situation befinden sich zur Zeit auch die Speditionsunternehmen. Sie profitieren offenbar bereits vom Einsetzen des gesamtwirtschaftlichen Aufschwungs und kommen bei der Beurteilung ihrer konjunkturellen Situation fast an die Spitzenwerte der EDV-Dienstleister und Unternehmensberater heran. Inwieweit sich die Einführung der Ökosteuer auf die Situation der Spediteure auswirkt, wird erst in der nächsten Umfrage eine Rolle spielen. Im Aufwärtstrend befinden sich auch Fahrzeug- und Maschinenvermieter sowie die Werbewirtschaft.
Die erheblichen Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen unternehmensnahen Dienstleistern in Hinblick auf die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage halten weiter an. Nach wie vor beurteilen die unternehmensnahen Dienstleister aus den alten Bundesländern ihre wirtschaftliche Lage wesentlich besser als ihre Konkurrenz aus den neuen Bundesländern. Jedoch haben die unternehmensnahen Dienstleister aus den neuen Bundesländern 1999 vor allem bei der Umsatzentwicklung gegenüber der Konkurrenz aus Westdeutschland aufgeholt.
Spürbare Nachfrageschwankungen
Die Abhängigkeit der unternehmensnahen Dienstleister von der gesamtwirtschaftlichen Lage führt zu einer Anfälligkeit dieses Wirtschaftszweigs gegenüber Nachfrageschwankungen. Rund ein Drittel der Unternehmen dieser Branchen gibt an, im Jahresverlauf von Nachfrageschwankungen betroffen zu sein. Der Anteil der von Nachfrageschwankungen betroffenen unternehmensnahen Dienstleister hat sich zwischen 1996 und 1999 leicht von 34 auf 37 Prozent erhöht.
Dabei verzeichnen die unternehmensnahen Dienstleister aus den neuen Ländern häufiger Nachfrageschwankungen als die westdeutschen Konkurrenten. Dies liegt an der großen Bedeutung des stark konjunktur- und saisonabhängigen Baugewerbes für die ostdeutsche Wirtschaft.
Besonders ausgeprägt sind Nachfrageschwankungen bei Architekten und technischen Planer. Geringe Nachfrageschwankungen gibt es hingegen bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern.
Mit Ausnahme der Maschinenvermieter sind konjunkturelle Nachfrageschwankungen bei den unternehmensnahen Dienstleistern deutlich ausgeprägter als saisonale Nachfrageschwankungen. Konjunkturellen Nachfrageschwankungen sind vor allem Architekten und technische Planer ausgesetzt. Auch Unternehmen der Werbewirtschaft und Fahrzeugvermieter geben überdurchschnittlich häufig an, von konjunkturellen Nachfrageschwankungen betroffen zu sein. Fast die Hälfte der unternehmensnahen Dienstleister ist von konjunkturellen, rund 40 Prozent ist von jahreszeitlichen Nachfrageschwankungen betroffen.
Anpassung an Nachfrageschwankungen
Wie regieren die unternehmensnahen Dienstleister auf Nachfrageschwankungen? Das beliebteste Mittel zur Anpassung an Nachfrageschwankungen sind Überstunden und Kurzarbeit. 44 Prozent der unternehmensnahen Dienstleister nutzen diese Möglichkeit zur Anpassung an Nachfrageschwankungen. In fast allen Branchen der unternehmensnahen Dienstleister sind Überstunden und Kurzarbeit die am häufigsten verbreiteten Anpassungsmethoden. Ausnahmen bilden hierbei jedoch die EDV-Dienstleister sowie die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die vor allem auf die Weiterbildung der Mitarbeiter zum flexibleren Einsatz im Unternehmen setzen. Bei den Spediteuren dominiert die Vergabe von Unteraufträgen an Dritte.
Zwischen 1996 und 1999 ist die Bedeutung von Überstunden und Kurzarbeit zur Anpassung an Nachfrageschwankungen bei den unternehmensnahen Dienstleistern leicht gesunken. An Bedeutung hinzugewinnen konnten hingegen die Befristung von Arbeitsverträgen. Auch Neueinstellungen werden als Mittel zur Anpassung an Nachfrageschwankungen immer beliebter, was vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Wachstums der unternehmensnahen Dienstleister kaum verwundert.
Von den moderneren Formen der Arbeitsflexibilisierung ist die Befristung von Arbeitsverträgen auch eine Möglichkeit zur Anpassung an Nachfrageschwankungen, deren Bedeutung von 1996 bis 1999 in einem nennenswerten Umfang gestiegen ist. Freie Mitarbeit hat in diesem Zeitraum etwas an Bedeutung eingebüßt, während sich die Nutzung von Teilzeitarbeit und die Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonten kaum verändert hat.
Bislang spielen die in der Wirtschaftspolitik diskutierten Lebensarbeitszeitmodelle und eine stärkere Verbreitung von Teilzeitarbeit als Instrumente zur Anpassung von Nachfrageschwankungen eine untergeordnete Rolle. Bei der Anwendung dieser beiden Instrumente gibt es jedoch ausgeprägte Unterschiede hinsichtlich der Firmengröße. So werden sowohl Lebensarbeitszeitkonten als auch Teilzeitarbeit wesentlich häufiger von großen als von kleinen Unternehmen angewendet.
Zwar setzen unternehmensnahe Dienstleister bislang relativ selten auf die moderneren Formen der Arbeitszeitflexibilisierung, doch werden befristete Arbeitsverträge, Teilzeitarbeit, freie Mitarbeit und Lebensarbeitszeitkonten langfristig an Bedeutung hinzugewinnen. Das wird aus einem Vergleich der prinzipiellen Beurteilung und der tatsächlichen Anwendung einzelner Methoden zur Anpassung an Nachfrageschwankungen deutlich. Dass moderne Formen der Arbeitszeitflexibilisierung bisher relativ selten eingesetzt werden, liegt zum einen an mangelnder Erfahrung mit diesen Methoden. Zum anderen beschäftigen viele unternehmensnahe Dienstleister nicht genügend Mitarbeiter, um moderne Formen der Arbeitszeitflexibilisierung effizient einsetzen zu können.
630 DM-Jobs verlieren
Vermutlich wegen der Neuregelung der 630 DM-Gesetzes hat geringfügige Beschäftigung für die Anpassung an Nachfrageschwankungen im Vergleich zu den Vorjahren so deutlich wie keine Anpassungsmöglichkeit an Bedeutung verloren. Sie wird von den unternehmensnahen Dienstleistern kaum mehr eingesetzt. Rund ein Fünftel der unternehmensnahen Dienstleister setzt geringfügig Beschäftigte zur Anpassung an Nachfrageschwankungen ein. Überdurchschnittlich große Bedeutung hat die geringfügige Beschäftigung bei Werbefirmen, Fahrzeug- und Maschinenvermietern sowie bei Spediteuren.
Eine große Bedeutung als Instrument zur Anpassung an Nachfrageschwankungen kommt hingegen der Automatisierung von Geschäftsabläufen zu. Bei keinem anderen Instrument zur Anpassung an Nachfrageschwankungen sind die Unterschiede zwischen den Branchen allerdings so ausgeprägt. So geben 42 Prozent der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie 36 Prozent der Werbefirmen an, Automatisierung sei ein geeignetes Instrument zur Anpassung an Nachfrageschwankungen. Für Speditionen und vor allem für Fahrzeugvermieter hingegen spielt die Automatisierung kaum eine Rolle. Diese Unterschiede deuten auf sehr unterschiedliche Rationalisierungspotentiale innerhalb der einzelnen Branchen der unternehmensnahen Dienstleister hin.
Ansprechpartner
Prof. Dr. Ulrich Kaiser, Telefon: 0621/1235-134, E-Mail: kaiser@zew.de
Die Konjunkturumfrage von ZEW und Creditreform wird seit dem zweiten Quartal 1994 vierteljährlich durchgeführt. Ein repräsentativ ausgewählter Querschnitt von 4000 Unternehmen wird von ZEW und Creditreform seit dem zweiten Quartal 1994 vierteljährlich befragt. Die Stichprobe wird regelmäßig um Unternehmensneugründungen aufgefrischt.
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsbereiches Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim. Das ZEW wurde im Jahr 1990 in einer gemeinsamen Initiative der baden-württembergischen Landesregierung, der Landeskreditbank Baden-Württemberg und der Universität Mannheim gegründet. Die Forschungsausrichtung liegt im einzelwirtschaftlichen Bereich, der Branchenanalyse und der Ökonometrie. Rund 70 Wissenschaftler sind am ZEW in den Forschungsbereichen Internationale Finanzmärkte, Arbeitsmärkte, Industrieökonomik, Umweltökonomik und Unternehmensbesteuerung tätig. Im Forschungsbereich Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung beschäftigen sich 22 Wissenschaftler mit dem Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft, der Entwicklung von Märkten und Regionen sowie der Analyse des Dienstleistungssektors.