Wahlrecht für Ausländer beeinflusst die Bereitschaft zur Einbürgerung

Forschung

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Einwanderer aus weniger entwickelten Ländern sich eher einbürgern lassen, wenn sie in ihrem Ankunftsland an einer Wahl teilnehmen durften.

Ein Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer hat Auswirkungen auf die Integration: Einwanderinnen und Einwanderer ändern ihre Bereitschaft, sich einbürgern zu lassen, wenn sie in ihrem Ankunftsland bereits an einer Wahl teilnehmen durften, ohne dort die Staatsbürgerschaft innezuhaben. Die konkrete Wirkung des Wahlrechts auf die Einbürgerung unterscheidet sich je nach Entwicklungsstand im Herkunftsland. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie des ZEW Mannheim in Zusammenarbeit mit den Universitäten Basel und der Universität Malmö.

„Die Bereitschaft, sich einbürgern zu lassen, ist ein wichtiges und wissenschaftlich akzeptiertes Merkmal erfolgreicher Integration“, sagt Dr. Michaela Slotwinski, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Soziale Sicherung und Verteilung“ und Mitautorin der Studie. „Stimmrechte für ausländische Staatsbürger wirken sich auf die Attraktivität der Einbürgerung aus.“

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Wahlrecht bei kommunalen Wahlen auch ohne Staatsbürgerschaft

Die Autoren betrachten drei verschiedene Wahlen in Schweden in den Jahren 2002 bis 2010. Sie untersuchen, wie wahrscheinlich sich wahlberechtigte und nicht wahlberechtigte Einwanderer mit ausländischer Staatsbürgerschaft in der Folge einbürgern ließen. In Schweden dürfen ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger an kommunalen und regionalen Wahlen teilnehmen, wenn sie zum Zeitpunkt der Wahl seit mindestens drei Jahren im Land leben. Das machen sich die Forscher zunutze: Sie vergleichen Einwanderer, die bis zu zehn Tage vor dem Stichtag eingewandert sind und deshalb wählen dürfen, mit Einwanderern, die bis zu zehn Tage danach angekommen sind. Diese Einschränkung macht die beiden Gruppen in allen anderen Charakteristika, wie zum Beispiel der Aufenthaltsdauer, besonders vergleichbar.

Einwanderer in Schweden können sich nach drei bis fünf Jahren Aufenthalt im Land einbürgern lassen. Sie benötigen für die Einbürgerung keinen Sprachnachweis und müssen auch keine wirtschaftlichen Bedingungen erfüllen. „Wenn ausländische Staatsbürger das Wahlrecht in dem Land erhalten, in dem sie ansässig sind, können sie schneller an politischen Prozessen teilnehmen. Diese Erfahrung könnte eine motivierende Wirkung auf Einwanderer haben, sodass sie sich eher in die Gesellschaft integrieren und sich einbürgern lassen“, sagt Michaela Slotwinski. „Andererseits könnte es ihre Integration aber auch verlangsamen. Denn wenn die Staatsbürgerschaft nicht mehr notwendig ist, um an einer Wahl teilzunehmen, fällt ein wichtiger Anreiz für die Einbürgerung weg.“

Einwanderer aus ärmeren Ländern lassen sich eher einbürgern

Die Autoren unterscheiden die Herkunftsländer der Einwandererinnen und Einwanderer je nach Lebensstandard, das heißt nach ihrem Wert gemäß dem Human Development Index (HDI). Die Studie zeigt, dass sich Geflüchtete und Personen aus weniger entwickelten Ländern eher einbürgern ließen, wenn sie drei Jahre nach ihrer Ankunft an einer Wahl teilnehmen konnten. Vier Jahre nach der Wahl, also sieben Jahre nach der Einwanderung, lag der Anteil derjenigen, die die schwedische Staatsbürgerschaft angenommen hatten, bei 64 Prozent. Damit war die Wahrscheinlichkeit der Einbürgerung um 17 Prozentpunkte höher als bei der Kontrollgruppe, die nicht wählen durfte. Für Personen, die aus einem Industrieland eingewandert waren und wählen durften, verringerte sich hingegen die Wahrscheinlichkeit der Einbürgerung. Nur 59 Prozent von ihnen ließen sich im Laufe der folgenden vier Jahre einbürgern. Das waren etwa zehn Prozentpunkte weniger als in der Kontrollgruppe ohne Wahlrecht.

„Die Ergebnisse zeigen, dass das Wahlrecht für Einwanderer von großer Bedeutung ist“, sagt Michaela Slotwinski. „Gesamthaft betrachtet hängt die Auswirkung von Ausländerwahlrechten auf die Einbürgerung vermutlich davon ab, aus welchen Staaten Immigranten stammen. Für Menschen aus ärmeren Ländern überwiegt der motivierende Effekt der Erfahrung, wählen zu dürfen. Bei Einwanderern aus entwickelten Ländern ist das Gegenteil der Fall: Wenn sie auch ohne die Staatsbürgerschaft wählen können, sinkt der Anreiz zur Einbürgerung. Für Immigranten aus Ländern mit mittlerem Lebensstandard zeigt sich zwar kein Effekt. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass es für sie keinen Unterschied macht. Wahrscheinlicher ist, dass beide Wirkungen sich gegenseitig aufheben.“

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