ZEW-Papier zur Europawahl 2014 - Europas Chancen erkennen und nutzen
KommentarDie Europawahl 2014 findet in einer Zeit statt, in der Europa vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen steht. Manche Stimmen sind zu hören, die Europa die Lösungskompetenz für diese Herausforderungen absprechen. Vor diesem Hintergrund fordert der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Prof. Dr. Clemens Fuest, dazu auf, das nach wie vor große Potenzial der europäischen Integration zu erkennen und zu nutzen. "Europa braucht dringend einen wirtschaftlichen Aufschwung und ein überzeugendes Konzept zur künftigen Aufgabenverteilung zwischen Brüssel und der nationalen Ebene", erklärte er heute in Brüssel, wo er ein ZEW-Papier mit Vorschlägen vorstellte, welche Prioritäten in den nächsten Jahren auf europäischer Ebene gesetzt werden sollten.
Die folgenden Aufgabenfelder werden in dem ZEW-Papier analysiert und es wird diskutiert, welche Möglichkeiten die europäische Politik hat, um hier positive Impulse zu geben:
- Europa sollte seine ungenutzten Wachstumspotenziale nutzen: Im Rahmen einer weiteren Vertiefung des Binnenmarktes sollten nach wie vor bestehende diskriminierende Regulierungen im Dienstleistungssektor sowie nationale Steuergesetze, die grenzüberschreitende Investitionen behindern, beseitigt werden. Ebenso wichtig ist es zu verhindern, dass neue Hindernisse für den Binnenmarkt errichtet werden. So wird zum Beispiel in einigen Mitgliedstaaten diskutiert, die Mobilität von Arbeitskräften zu beschränken. Darüber hinaus ist es wichtig, die Offenheit des Europäischen Binnenmarktes gegenüber der Weltwirtschaft zu stärken. Dazu gehört es, das Projekt einer transatlantischen Freihandelszone voranzutreiben.
- Die zweifelsohne schwierige fiskalpolitische Konsolidierung sollte fortgesetzt werden, denn ohne stabile Staatsfinanzen wird es keinen nachhaltigen Aufschwung geben. Eine Rückkehr zu einer Politik massiver privater und öffentlicher Verschuldung, die den Boom vor der Krise getrieben hat, würde bestenfalls einen Strohfeuereffekt auslösen.
- Geld aus dem EU-Haushalt sollte weniger in nationale Projekte der einzelnen Mitgliedstaaten fließen, denn dies ist zwar nützlich, lenkt aber von Politiken ab, bei denen es wirklich um gemeinsame europäische Interessen geht. So würde eine vertiefte Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik etwa durch gemeinsame diplomatische Vertretungen im Ausland zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Gleiches gilt für integrierte europäische Streitkräfte für Auslandseinsätze.
- In der Eurozone müssen die Anreize für solide Staatsfinanzen wie etwa die Verpflichtung auf Schuldengrenzen erhalten bleiben. Bei vorübergehenden Finanzproblemen steht mit dem ESM inzwischen eine Institution zur Verfügung, die Staaten im Bedarfsfall aushilft, dennoch bleibt eine Lücke: Die Eurozone braucht ein Verfahren für staatliche Insolvenzen, denn ohne ein glaubwürdiges Insolvenzverfahren geht von den Kapitalmärkten keinerlei Disziplinierungswirkung aus. Ein Vorschlag des ZEW für ein solches Insolvenzverfahren sieht vor, dass überschuldete Länder für einen begrenzten Zeitraum Kredite des ESM erhalten, wenn die Sanierung ohne Schuldenschnitt möglich scheint. Nach Ablauf von drei Jahren werden weitere Hilfen aber nur gewährt, wenn ein Schuldenschnitt durchgeführt wird.
- Die europäische Bankenunion ist für die künftige Stabilität der Eurozone von zentraler Bedeutung. Bei deren Gestaltung kommt es darauf an, dass alle Banken hinreichend haftendes Kapital vorhalten, damit die Steuerzahler bei künftigen Krisen besser geschützt sind. Kritisch ist, dass Investitionen in Staatsanleihen weiterhin als risikolos klassifiziert werden.
- Auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in elf EU-Mitgliedstaaten sollte verzichtet werden. Der Finanzsektor trifft durch bereits eingeführte Bankenabgaben Vorsorge für die Kosten künftiger Bankenkrisen. Die Stabilität des Finanzsektors wird am besten durch höhere Eigenkapitalanforderungen garantiert. Als Ersatz für die Umsatzsteuerbefreiung von Finanzdienstleistungen ist die Finanztransaktionssteuer ungeeignet. Hier wäre die vom IWF vorgeschlagene Finanzaktivitätssteuer besser geeignet.
- Europäische Initiativen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sollten sich nachdrücklich darauf konzentrieren, die Mobilität von Jugendlichen für eine europaweite Ausbildung und Beschäftigung zu fördern, denn es ist fraglich, ob EU-Politiken jenseits der Mobilitätsförderung viel bewirken können.
- Eine stringente europäische Energie- und Klimapolitik ist erforderlich. Nationale Maßnahmen wie die Förderung erneuerbarer Energien müssen mit europäischen Politiken abgestimmt werden. Darüber hinaus sollte die EU eigene Klimaschutzziele mit der Bedingung versehen, dass auch andere Wirtschaftsräume, vor allem die USA und China, sich auf angemessene Emissionsziele festlegen. Außerdem gilt es, die Fragmentierung der nationalen Energiemärkte zu überwinden und die grenzüberschreitenden Energienetze auszubauen. Von den damit verbundenen Investitionen würde ein Wachstumsimpuls für ganz Europa ausgehen.
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