ZEW-Studie "Technologische Leistungsfähigkeit" - Deutschland muss sich auf neue Konkurrenten im internationalen Technologiewettbewerb einstellen
ForschungDie Weltwirtschaft befindet sich, wesentlich angetrieben vom rasanten Wirtschaftswachstum sogenannter Aufholländer, in einem schnellen Wandel. Insbesondere in Asien geben sich Länder wie Indien, Südkorea, Taiwan, Singapur und vor allem China seit etwa Mitte der 1990er Jahre aber mit Wachstum alleine nicht mehr zufrieden. Sie unternehmen vielmehr große Anstrengungen, um bei Forschung und Entwicklung (FuE) sowie bei den Innovationsaktivitäten zu den westlichen Industriestaaten aufzuholen.
Durch die Ausweitung ihrer FuE-Kapazitäten verbunden mit Investitionen in die Ausbildung von Hochqualifizierten schaffen sie so die Voraussetzungen für den Übergang von imitativen Innovationen zu originären Innovationen. Im globalen Technologiewettbewerb müssen deutsche Unternehmen daher in Zukunft mit verstärktem Wettbewerb aus asiatischen Aufholländern wie Indien und vor allem China rechnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des globalen Technologiewettbewerbs im Rahmen der umfangreichen Studie zur "Technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands", die ein Konsortium von Instituten unter Federführung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellt hat.
Dass die Anstrengungen der Aufholländer durchaus erfolgreich sind, zeigt das Beispiel Chinas. Sein Anteil an den weltweiten FuE-Aufwendungen ist von knapp 4 Prozent im Jahr 1996 auf knapp 11 Prozent im Jahr 2004 gestiegen. Die FuE-Aufwendungen Chinas überschritten, zu Kaufkraftparitäten umgerechnet, im Jahr 2004 jene Deutschlands bereits fast um das Doppelte, die Zahl der in FuE tätigen Personen liegt um das 2,5-fache höher. Auch ein immer höherer Anteil der wissenschaftlichen Publikationen wird in den asiatischen Aufholländern erstellt. Im Hinblick auf die Produktpalette, die auf internationalen Märkten angeboten wird, zeigen sich dagegen bisher noch kaum Spuren der deutlich gestiegenen FuE-Investitionen. Allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch hier die Erfolge einstellen werden.
Bislang hat Deutschland von der hohen Nachfrage aus den Aufholländern, insbesondere auch aus China, vor allem profitiert, da diese den exportgetriebenen Aufschwung speiste. Die Spezialisierung Deutschlands auf "gehobene Gebrauchsgüter" wie etwa Maschinenbau oder Automobilbau korrespondiert hervorragend mit der Nachfrage aus den Aufholländern. Die deutsche Importnachfrage profitierte von dem durch das Angebot dieser Länder intensivierten weltweiten Wettbewerb bei Gütern der Spitzentechnologie (insbesondere Güter der Informations- und Kommunikationstechnik) und den daraus resultierenden Preissenkungen für diese Waren. Diese erweiterten Möglichkeiten der internationalen Reorganisation der Wertschöpfungsketten in Verbindung mit geringen Kostensteigerungen für Arbeit in Deutschland, mit Produktinnovationen und insbesondere mit Kosten senkenden Prozessinnovationen schufen Vorteile im internationalen Preiswettbewerb. Im Ergebnis resultierte daraus der Wachstumspfad, auf dem sich die deutsche Wirtschaft gegenwärtig befindet.
Welche Auswirkungen hat das Aufkommen neuer FuE-Wettbewerber insbesondere in Asien, aber auch in Mittel- und Südamerika sowie in Mittel- und Osteuropa aber langfristig auf den FuE-Standort Deutschland? Was die Arbeitsteilung in der Forschung angeht, so dürfte weniger die Grundlagen- und die angewandte Forschung von dem Hinzukommen neuer Wettbewerber betroffen sein, die in Deutschland ein vergleichsweise hohes Gewicht hat, sondern vor allem die marktorientierte experimentelle Entwicklung. Zusätzlich hängt der Grad der Betroffenheit der Branchen oder Unternehmen davon ab, inwieweit eine regionale Trennung der Produktions- von den Forschungsstätten möglich ist. Solange Innovation und Produktion auf hochwertige Dienstleistungen vor Ort und auf Systemkompetenz in der Wertschöpfungskette angewiesen sind wie beispielsweise im Maschinen- und Automobilbau, wird eine Abwanderung von Forschung und Produktion nur begrenzt möglich sein.
Ein zweiter Aspekt ist, inwieweit die FuE- und Innovationsprozes-se selbst zerlegt werden können. Je einfacher dies ist, desto leichter fällt es, die Vorteile einer internationalen FuE-Arbeitsteilung mit den Aufholländern auszuschöpfen. Hochwertige Dienstleistungen wie FuE lassen sich mit der steigenden Leistungsfähigkeit der IuK-Technologien immer leichter modularisieren; sie werden damit "handelbar". Dies erhöht den Druck, permanent zu innovieren.
Den internationalen Wettbewerb mit aufstrebenden Schwellenländern kann die deutsche Wirtschaft nicht auf der Kosten-, sondern nur auf der Innovationsseite bestehen. Dies macht höhere Eigenanstrengungen nötig; zusätzlich übt die Erweiterung der internationalen Arbeitsteilung bei FuE Druck auf das Spezialisierungsprofil der hoch entwickelten Volkswirtschaften aus. In Teilbereichen wird sich ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen in der FuE-intensiven Industrie nicht vermeiden lassen. Eine stärkere Spezialisierung auf die ersten Phasen der Innovationswertschöpfungsketten, in denen hochwertige Dienstleistungen - nicht nur bei FuE - erforderlich sind, dürfte die erforderlichen Anpassungsprozesse erleichtern.
Ansprechpartner
Jürgen Egeln, Telefon: 0621/1235-176, E-Mail: egeln@zew.de