ZEW-Vorschlag zur Reform der EU-Finanzierung - Zwei Mehrwertsteuer-Punkte für Brüssel und mehr Macht für das Parlament
ForschungDie Finanzierung des EU-Haushalts muss transparenter werden. Dazu sollten die Beiträge, die die einzelnen Mitgliedstaaten an den EU-Haushalt abführen, in Zukunft in der nationalen Mehrwertsteuer ausgewiesen werden. Dies wären im Schnitt aller EU-Staaten derzeit genau zwei Prozentpunkte. Außerdem sollte das Europäische Parlament mehr Einfluss auf die Gestaltung der Ausgabenstruktur des europäischen Budgets erhalten. Dies sind die Kernelemente eines neuen Vorschlags des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für ein künftiges Finanzierungssystem der EU, den ZEW-Präsident Clemens Fuest heute auf einer Veranstaltung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses in Brüssel vorstellt.
Ausgangspunkt des Vorschlags sind zwei zentrale Schwächen des gegenwärtigen Finanzierungssystems. "Europa gibt das Geld für die falschen Dinge aus, außerdem fehlt es den Bürgern an Kostentransparenz", fasst Fuest die Probleme zusammen.
Immer noch gibt die EU beispielsweise 40 Prozent ihres Haushalts für die Landwirtschaft aus, obwohl dieser Sektor nur noch von geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist. Außerdem fließt mehr als ein Drittel des Budgets in die Regionalpolitik, oft in Projekte in wohlhabenden Ländern, die keine Hilfen brauchen. Im Vordergrund stehen somit Politikfelder, die nationalen und lokalen Politikern am Herzen liegen. Das widerspricht nach Ansicht des ZEW einer rationalen Aufgabenteilung zwischen Mitgliedstaaten und EU. Aus dem EU-Haushalt sollten nicht lokale Vorhaben, sondern wirklich europäische Politiken finanziert werden - wie zum Beispiel Außenpolitik, Verteidigung oder Entwicklungshilfe.
Neben der falschen Ausgabenstruktur ist die fehlende Kostenztransparenz für die Bürger das andere zentrale Problem. Der EU-Haushalt wird weitgehend aus Beiträgen der Mitgliedstaaten finanziert, die sich vor allem nach dem jeweiligen Bruttonationaleinkommen berechnen ("BNE-Eigenmittel"). Europas Steuerzahler finanzieren das EU-Budget zwar indirekt über ihre Steuern, haben aber keine Vorstellung darüber, wie hoch der europäische Anteil an den eigenen Steuerzahlungen eigentlich ist.
In Brüssel wird vielfach gefordert, der EU eine eigene Steuer zu geben, um diese Kostentransparenz herzustellen. Das ZEW empfiehlt einen anderen Ansatz: Es bleibt im ZEW-Modell beim gegenwärtigen System der Haushaltsfinanzierung über die BNE-Eigenmittel. Die Beitragsbelastung eines Mitgliedsstaats soll aber künftig im Rahmen der nationalen Mehrwertsteuer ausgewiesen werden. Europas Bürger würden damit bei jedem Einkauf auf dem Kassenzettel sehen, was sie der EU-Haushalt kostet. Für Deutschland beliefe sich diese "EU-Rechnung" derzeit auf 2,1 Prozentpunkte der Mehrwertsteuer. Damit liegt Deutschland fast genau im EU-Durchschnitt (2,0 Prozentpunkte).
Das zweite zentrale Reformelement des ZEW-Vorschlags ist ein größerer Einfluss des Europäischen Parlaments auf die Struktur des Haushalts. Derzeit wird die Ausgabenstruktur im Rahmen der siebenjährigen Finanzplanung maßgeblich durch die nationalen Regierungen im Rat festgezurrt. Im jährlichen Haushaltsverfahren, bei dem Rat und Parlament gleichberechtigt sind, geht es dann nur noch um die Details. Dieses Verfahren schwächt das Parlament. Ein höherer Einfluss des Parlaments ist wünschenswert, weil hier das Interesse an Agrar- und Regionalpolitik weniger stark ausgeprägt ist als bei den Regierungschefs, die vor allem Projekte mit einer hohen Sichtbarkeit zu Hause haben wollen. Der Einfluss des Parlaments kann durch eine einfache Veränderung stark ausgeweitet werden: Der mehrjährige Finanzrahmen sollte nur noch eine Obergrenze für den finanziellen Umfang der Ausgaben beinhalten, aber keine Vorgaben mehr bezüglich der Ausgabenstruktur machen. Damit würde die Entscheidung, wie das Geld auszugeben ist, im jährlichen Haushaltsverfahren getroffen. Dies würde den Einfluss des Parlaments deutlich ausweiten.
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