Zu wenig Wettbewerb im Markt für EU-Evaluationen

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ZEW Lunch Debate in Brüssel zur Evaluation der EU-Kohäsionspolitik

Von links nach rechts: Dr. Zareh Asatryan, Dirk Kranen, Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Alison Hunter, Lewis Dijkstra und Stef Blok sprachen über die Kohäsionspolitik der EU.

Circa 30 Prozent des gesamten Budgets sind im aktuellen EU-Haushaltsplan für die Kohäsions- und Strukturpolitik vorgesehen. Ihr Ziel ist es, eine wirtschaftliche Angleichung der europäischen Mitgliedstaaten zu erreichen. Für die Erfolgskontrolle dieser Politik sind aussagefähige Evaluationen unabdingbar. Über die Anforderungen an kohäsionspolitische Evaluationen und ihren Reformbedarf diskutierten am 18. Oktober 2023 die ZEW-Ökonomen Prof. Dr. Friedrich Heinemann und Dr. Zareh Asatryan mit hochrangigen Vertretern/-innen aus Politik und Wirtschaft bei der Lunch Debate vom ZEW Mannheim mit rund 120 Gästen in Brüssel.

Aus Perspektive der Wissenschaftler ist der Markt für Evaluationen zu sehr durch nationale Grenzen gekennzeichnet, während die Märkte innerhalb der Länder sehr konzentriert sind. „Innerhalb der Mitgliedstaaten beherrschen oft einige wenige Anbieter den Markt für Evaluationen der Kohäsionsprogramme. Es fehlt ein wirklicher EU-Binnenmarkt für diese wichtige Dienstleistung“, fasst ZEW-Ökonom Dr. Zareh Asatryan in seinem Impulsvortrag zusammen. Er stellt außerdem fest: „Viele Evaluatoren berichten von einer starken Beteiligung der Auftraggeber. Es zeigt sich, dass Evaluationen zu umso günstigeren Ergebnissen kommen, je stärker die Auftraggeber auf die Arbeit der Evaluatoren Einfluss nehmen, sowie wenn die Märkte in den Händen einiger weniger Unternehmen konzentriert sind. Die Analyse zeigt, dass diese Verzerrungen dazu führen, dass die Ergebnisse der Evaluationen von dem abweichen, was wir aus der wirtschaftlichen Literatur über die Auswirkungen der Kohäsionspolitik wissen.“

Schwierige Evaluation bei zu vielen Zielen

„Die Strukturpolitik der EU wird seit einigen Jahren für ihre ‚Inflation der Ziele‘ kritisiert. Schließlich möchte sie an sehr vielen Stellschrauben für eine Vereinheitlichung der Mitgliedstaaten sorgen. Es ist schwierig, den Überblick über alle Maßnahmen und ihre Auswirkung zu behalten. Ohne eine klare Zielpriorität ist eine aussagefähige Evaluation letztlich nicht möglich“, gibt Stef Blok vom Europäischen Rechnungshof zu bedenken. Dirk Kranen vom Bundesfinanzministerium formuliert die Anforderungen an das Evaluationssystem aus Sicht des  größten EU-Beitragszahlers: „Ausgangspunkt einer jeden neuen Budgetplanung sollte stets ein Budget von Null sein. Nur wenn Wirkungen und ein Beitrag für einen europäischen Mehrwert durch überzeugende Evaluationen nachgewiesen werden, sind neue Budgets zu rechtfertigen.“

Lewis Dijkstra von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission weist auf die Grenzen von nationalen Evaluationen und ihrer Möglichkeiten hin: „Programmevaluationen müssen sich mit dem Nutzen eines Programms befassen und es ist nicht ihre Aufgabe, unzureichende nationale Strukturen etwa in Bezug auf den Arbeitsmarkt oder das Bildungssystem zu adressieren. Dabei spricht für nationale Evaluationsteams, dass diese sich mit den Verhältnissen im Land besser auskennen.“ ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann mahnt, die Anreize aller Beteiligten im Blick zu behalten: „Die Mitgliedstaaten wollen beweisen, dass ihre Programme ein Erfolg waren, die Europäische Kommission möchte darlegen, dass sie den EU-Haushalt richtig steuert. Und Evaluatoren wollen im Geschäft bleiben. All das sind Hindernisse auf dem Weg zu wirklich glaubwürdigen Evaluationen.“

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