Die Anatomie des Berufswechsels: Eine empirische Bestandsaufnahme auf Basis der BIBB/IAB-Daten 1998/1999
ZEW Discussion Paper Nr. 04-05 // 2004In Deutschland stellen Personen, die ihre Berufsausbildung im Rahmen des dualen Systems oder durch den Besuch einer Berufsfachschule erworben haben, das Rückgrat der Beschäftigung dar. Trotz seiner Bedeutung kommen in den vergangenen Jahren zunehmend Stimmen auf, die die Anpassungsfähigkeit des industriegesellschaftlich geprägten Ausbildungssystems an die neuen Anforderungen in der Wissensgesellschaft in Frage stellen. Unter dem Stichwort ,,Patchwork-Biografien“ sind dabei Berufswechsel ein vieldiskutiertes Symptom, worunter man den Ausstieg der Ausgebildeten aus dem erlernten Beruf versteht. Diese Arbeit betrachtet horizontale Berufswechsel, das heißt es wird ein Vergleich angestellt zwischen dem Ausbildungsberuf (´ Beruf, in dem die erste Berufsausbildung erfolgte) und dem Erwerbsberuf (´ Beruf, in dem der Arbeitnehmer aktuell beschäftigt ist) der Beschäftigten. Der theoretische Teil der Studie untersucht das ökonomische Kalkül, das dem Berufswechsel zugrundeliegt. Der empirische Teil umfasst eine Analyse der Determinanten von Berufswechseln und deren Auswirkungen auf die Entlohnung. Die empirische Evidenz bezieht sich auf westdeutsche männliche Beschäftigte mit deutscher Nationalität in den Jahren 1998/1999. Die Ergebnisse sind insgesamt damit konsistent, dass Berufswechsler durch den Wechsel positive Verdienst- und Karrierechancen wahrnehmen. Die ex post beobachtete Wechselwahrscheinlichkeit hängt negativ vom Durchschnittslohn im Ausbildungsberuf und positiv vom Durchschnittslohn im Erwerbsberuf ab. Der deskriptiv beobachtete durchschnittliche Entlohnungseffekt von Berufswechseln ist signifikant positiv. Eine Konditionierung auf den Ausbildungsberuf erh¨oht diesen positiven E®ekt. Allerdings haben Berufswechsler signifikant geringere Verdienste zu verzeichnen als Beschäftigte, deren Erwerbsberuf auch ihr Ausbildungsberuf ist. Die Kausalanalyse legt nahe, dass der geschätzte kausale durchschnittliche Entlohnungseffekt positiv ist. In Bezug auf den Berufswechsel zeigt die Analyse, dass für junge Berufswechsler ein negativer Selektionseffekt vorliegt, der sich mit zunehmendem Alter im Vorzeichen umkehrt. Dieser Effekt sorgt dafür, dass sich der geschätzte durchschnittliche Selektionseffekt nicht signifikant von null unterscheidet. Die empirischen Ergebnisse führen zu einer insgesamt positiven Einschätzung des Berufswechsels. Angesichts der kritischen Diskussion um die Vorzüge des dualen Ausbildungssystems deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das im Rahmen der Ausbildung erworbene allgemeine Humankapital den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, flexibel auf Verdienst- und Karrierechancen zu reagieren. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie kann es als großer Vorteil angesehen werden, dass im Rahmen des dualen Ausbildungssystems neben spezifischem Humankapital auch allgemeines Humankapital vermittelt wird.
Fitzenberger, Bernd und Alexandra Spitz-Oener (2004), Die Anatomie des Berufswechsels: Eine empirische Bestandsaufnahme auf Basis der BIBB/IAB-Daten 1998/1999 , ZEW Discussion Paper Nr. 04-05, Mannheim.