Entwicklungschancen und Umweltschutz durch Joint Implementation mit Indien
ZEW-Dokumentation Nr. 98-06 // 1998Bei den Klimaverhandlungen in Kyoto einigten sich die Delegierten auf die Einrichtung eines sogenannten "Clean Development Mechanism". Dabei handelt es sich um einen Vertragsme-chanismus, dessen Herzstück die "Gemeinsame Vertragsumsetzung" ist, welche international als "Joint Implementation" bezeichnet wird. Die Grundidee ist, daß Industrieländer mit relativ hohen Klimaschutzkosten zusammen mit Entwicklungsländern den Ausstoß von Treibhausga-sen reduzieren. Die Emissionsreduktion soll durch den vergleichsweise kostengünstigen Er-satz veralteter, umweltbelastender Technologie durch ausgereiftes modernes Know-how in den Entwicklungsländern erreicht werden. Die Industrieländer, welche diesen Technologie- und Know-how-Transfer bezahlen, sollen als Gegenleistung eine Emissionsgutschrift auf ihre im Klimaprotokoll festgelegten Reduktionsverpflichtungen erhalten.
Ziel dieser Arbeit ist es, am Fallbeispiel Indien die These zu prüfen, daß Joint Implementation sowohl für Industrie- als auch für Entwicklungsländer vorteilhaft ist und zusätzlich zur Lö-sung entwicklungspolitischer Probleme in Entwicklungsländern beiträgt.
Es zeigt sich, daß in Indien ein großes Potential kostengünstiger Klimaschutzmaßnahmen (Reduktion von Kohlendioxid- und Methanemissionen) existiert. Aus umweltökonomischer Perspektive sind für eine gemeinsame Vertragsumsetzung mit Industrieländern vor allem Mo-dernisierungsprojekte in thermischen Kraftwerken und schwerindustriellen Anlagen interes-sant. Diese Projekttypen erfüllen einerseits das Kriterium der ökonomischen Effizienz, da sich beide Partner besserstellen. Andererseits ist auch die Forderung nach ökologischer Effektivität erfüllt, da die erreichten Einsparungen zu niedrigen Projekt- und Überwachungs- und Trans-aktionskosten erbracht werden können und somit keine Verwässerung des ökologischen Ziels zu erwarten ist. Auch aus entwicklungspolitischer Perspektive ist dieser Projekttypus interes-sant, weil es durch die Modernisierung (Wirkungsgradsteigerung) von Energieanlagen mög-lich ist, die wachstumshemmende Energielücke in der indischen Wirtschaft zu verengen. Denn in Indien wächst die Nachfrage nach Energie weitaus stärker als das Angebot.
Es könnten auch weitere Klimaschutzmaßnahmen in Indien durch Joint Implementation ver-wirklicht werden, doch besteht bei vielen Projekttypen (z.B. Wasserkraft- und Aufforstungs-projekte) die Gefahr, daß die Lebenssituation der lokalen Bevölkerung verschlechtert wird. Für die weitere Ausgestaltung des Clean Development Mechanism bei der kommenden Kli-makonferenz in Buenos Aires Ende diesen Jahres kann aus der Perspektive Indiens folgende Schlußfolgerung gezogen werden:
Wenn es gelingt, eine Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung für Joint Implementation-Projekte festzuschreiben, ist der Clean Development Mechanism geeignet, zu einer Entkopp-lung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch in Indien beizutragen und gleichzeitig die Klimaschutzkosten für die Industrieländer zu vermindern.
Kopp, Oliver und Wolfgang Bräuer (1998), Entwicklungschancen und Umweltschutz durch Joint Implementation mit Indien, ZEW-Dokumentation Nr. 98-06, Mannheim