Normsetzung im Umweltbereich. Dargestellt am Beispiel des Stromeinspeisungsgesetzes
ZEW-Dokumentation Nr. 96-04 // 1996Dem technischen, industriellen und wirtschaftlichen Wachstum steht die Knappheit der Umweltressourcen gegenüber. Ohne Nutzung der Umwelt kann eine Gesellschaft nicht existieren; die mit der Nutzung einhergehende Umweltbelastung muss aber in gewissen Grenzen gehalten werden. Hier setzt das Umweltrecht als normative Beschränkung der Umweltnutzungsfreiheit an. Regelungen zum Schutz, zur Pflege und Entwicklung der Umweltmedien (Luft, Wasser, Boden) und entsprechende Regulierungen des menschlichen Verhaltens sollen gewährleisten, dass die Grenzen der ökologischen Belastbarkeit nicht überschritten werden. Umweltrecht in diesem Sinne stellt sich als Begrenzungsrecht dar, das die Freiheitsrechte von Umweltbelastern einschränkt. Andererseits präsentiert sich das Umweltrecht aber auch als Bewirtschaftungsrecht, das heißt, durch die Materie "Umweltrecht" erfährt die "Verteilung von (provisorischen) Nutzungsbefugnissen an dem öffentlichen Gut Umwelt" ihre normative Ausgestaltung. Beide Aspekte prägen das Erscheinungsbild der modernen Umweltnormen und spiegeln die möglichen Unterschiede im Grundverständnis des Umweltrechts wider. Der Schutz der Umwelt und das Aufstellen entsprechender Regeln ist zu einer "Schicksalsaufgabe des modernen Staates" geworden. Der Normgeber sieht sich dabei regelmäßig mit der Frage konfrontiert, wie er einerseits den Schutz der ökologischen Existensgrundlage gewähren kann ohne andererseits übermäßig in die individuelle Freiheit des Einzelnen einzugreifen. Der in diesem Zusammenhang immer wieder heraufbeschworene Gegensatz zwischen Ökologie und Ökonomie lässt sich nicht zwangsläufig herstellen: Was der Umwelt nutzt, kann wirtschaftlich sinnvoll sein und umgekehrt kann eine ökonomisch wünschenswerte Maßnahme auch ökologische Vorteile mit sich bringen. Sowohl wirtschaftliches Handels als auch das Bedürfnis nach einer intakten Umwelt gehören zu den Rahmenbedingungen menschlichen Daseins. Dennoch lassen sich Interessen- und Zielkonflikte im Rahmen der Normgebung nicht vermeiden. Jede normsetzende Autorität wird daher im Prozess der Rechtsentstehung bestrebt sein, die möglicherweise tangierten Interessen zu identifizieren und auf einen Interessensausgleich hinzuarbeiten. Vor dem Hintergrund der jeweiligen gesetzgeberischen Intention findet ein Abwägungsprozess statt, der schließlich im Erlass eines rechtsverbindlichen Aktes endet. Der Normadressat sieht in erster Linie den gesetzgeberischen "Output", nämlich die von den Legislativorganen erlassene Norm. Diese Norm ist für sein weiteres Verhalten verbindlich, an ihr muss er sein zukünftiges Handeln ausrichten. Je früher Informationen über die zu erwartenden Reglementierungen zur Verfügung stehen, um so mehr Reaktionszeit kann der Betreffende für sich in Anspruch nehmen. Für den Rechtsanwender, der längerfristige Dispositionen zu treffen hat, darf die Auseinandersetzung mit veränderten gesetzlich Rahmenbedingungen daher nicht erst nach Abschluss des Rechtsetzungsverfahrens stattfinden. Relevant sind insoweit bereits die Verfahrensschritte, die eine Norm auf ihrem Weg zur Rechtsverbindlichkeit durchläuft. Die genaue Kenntnis der Struktur, des Ablaufs und der ungefähren Dauer eines Normsetzungsverfahrens erlaubt es zu beurteilen, wo und wie die entscheidenden Weichen gestellt werden.
Bergmann, Heidi (1996), Normsetzung im Umweltbereich. Dargestellt am Beispiel des Stromeinspeisungsgesetzes, ZEW-Dokumentation Nr. 96-04, Mannheim