ZEW Lunch Debate in Brüssel - Bekannte Schwierigkeiten und neue Ansätze in der globalen Klimapolitik
ZEW Lunch Debate in BrüsselWie kann die 21. Weltklimakonferenz in Paris zu einem dringend benötigten Erfolg werden? Von Ende November bis Mitte Dezember 2015 werden Vertreter von 195 Ländern der Vereinten Nationen (UN) in der französischen Hauptstadt darum ringen, ein neues globales Klimaabkommen zu verabschieden. Dass das keine leichte Aufgabe sein wird, dokumentiert das bisherige Scheitern des Versuchs, das Kyoto-Protokoll von 1997 in ein verbindliches, effektives Abkommen zu überführen. Welchen Kriterien müssen die Verhandlungen in Paris also genügen, um ein Klimaabkommen wahrscheinlich zu machen? Wie können wissenschaftliche Erkenntnisse die Politik in dieser Situation unterstützen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Redner bei der ZEW Lunch Debate "The Road to Paris: Towards a Fair and Effective Climate Agreement?" am 18. November 2015 in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU in Brüssel.
Ein Publikum von rund 60 Gästen, darunter Rüdiger Lüdeking, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Belgien, Vertreterinnen und Vertreter des Europäischen Parlaments und der Kommission sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft war der Einladung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) gefolgt. Während aktuelle Forschungsergebnisse, innovative Verhandlungsansätze, aber auch eine neue politische Dynamik für maßvollen Optimismus im Vorfeld der UN-Klimaverhandlungen sorgen, griff die ZEW Lunch Debate die ökonomischen, sozialen und politischen Aspekte des anstehenden Gipfeltreffens auf.
ZEW-Präsident Prof. Dr. Clemens Fuest verwies in seiner Einführung auf den hohen Erwartungsdruck, der auf dem Pariser Gipfel laste – neben der Frage, ob es zu einem Erfolg komme, stehe die Forderung: Es muss zu einem Erfolg kommen. Das ZEW nehme hier eine eher optimistische Perspektive ein, die sich auf die Expertise der umweltökonomischen Forschung am Institut stütze.
Hürden und Hoffnungen des UN-Klimagipfels
Dr. Oliver Schenker, kommissarischer Leiter des Forschungsbereichs "Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement" am ZEW, legte die grundsätzlichen Schwierigkeiten dar, mit denen die internationalen Bemühungen in der Klimapolitik konfrontiert sind: das "Trittbrettfahrerproblem", da auch Länder, die selbst keinen Beitrag leisten, vom Beitrag anderer profitieren, die ungleiche Verteilung der Lasten des Klimawandels sowie der Umstand, dass Maßnahmen erst langfristig Wirkung zeigen. Doch einige innovative Ideen lassen auf einen konstruktiven Gipfel hoffen: Ein "bottom-up"-Ansatz soll entgegen der bisherigen "top-down"-Architektur des Kyoto-Protokolls eine breitere Basis für die Vereinbarung realistischer Emissionsziele schaffen. An den Industrienationen sei es, mit starken Reduktionszusagen in die Verhandlungen zu gehen und die Erforschung klimafreundlicher Technologien voranzutreiben, erklärte Schenker. Zudem komme den reicheren Ländern eine Schlüsselrolle bei der Aufgabe zu, den sozialen Effekten der Klimapolitik zu begegnen.
Jos Delbeke, PhD, Generaldirektor für Klimapolitik bei der Europäischen Kommission, referierte anschließend über die Erwartungen an die 21. Weltklimakonferenz aus europäischer Sicht. Eine zentrale positive Nachricht aus der EU für Paris sei: "Es gibt keinen Konflikt zwischen BIP-Wachstum und der Einsparung von Emissionen." Delbeke verwies hierzu auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen in der EU um 23 Prozent seit 1990 – bei einem gleichzeitigen BIP-Wachstum um 46 Prozent. Es werde jedoch "ungeheuer schwierig" sein, ein globales Abkommen auf dem Gipfel zu verabschieden – "aber die Vorarbeiten wurden geleistet", so Delbeke.
"Gerechtigkeit existiert nur im Plural"
Die von Clemens Fuest moderierte Podiumsdiskussion eröffnete Prof. Dr. Rudolf Schüßler, Lehrstuhlinhaber für Philosophie an der Universität Bayreuth, mit Überlegungen zur divergierenden Wahrnehmung von Fairness: Sowohl die Ergebnisse selbst als auch deren Zustandekommen würden aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Die im Vorfeld der Verhandlungen getroffenen Zusagen der Teilnehmerländer könnten von anderen Nationen durchaus abweichend bewertet werden. "Gerechtigkeit existiert nur im Plural", so Schüßler. Um die Verhandlungen nicht an diesem Punkt scheitern zu lassen, könne etwa an eine gleichmäßige Erhöhung der Zusagen gedacht werden. Diese beträfe alle Teilnehmer gleichermaßen, würde aber die eingereichten Zusagen – die jeweils unter Berücksichtigung nationaler Interessen zustande kamen – nicht grundsätzlich negieren.
Die abschließende Debatte mit Beteiligung des Publikums warf weitere Aspekte auf: Wie universell ist überhaupt die Betroffenheit vom Klimawandel – wie ist Akteuren zu begegnen, die für sich eventuell sogar positive Aspekte in der Erderwärmung identifizieren? Welchen Nachholbedarf hat die EU in Sachen Koordination und Implementierung von Klimapolitik? Welche Rolle sollten Anpassungsmaßnahmen in den Verhandlungen spielen, sofern die Vermeidung des Klimawandels nicht gelingt? Fragen, die unterstrichen, wie hoch die Erwartungen an die UN-Klimakonferenz sind.
Bei der Diskussionsreihe ZEW Lunch Debates kommen seit 2014 Expertinnen und Experten zusammen, um zur Mittagszeit aktuelle wirtschaftliche Herausforderungen für Europa zu diskutieren. Die regelmäßig in Brüssel stattfindende Veranstaltung bietet Gelegenheit zur kontroversen, offenen und engagierten Debatte.