Die Rechtssetzung der institutionellen Gremien ist recht genau vorhersehbar
VeranstaltungsreihenMacht und Entscheidungsbefugnisse im europäischen Steuersystem sind auf verschiedene Institutionen verteilt. Beide nehmen auf ihre Weise Einfluss auf die Gestaltung eines gemeinsamen europäischen Steuersystems und stehen dabei gleichermaßen vor der Herausforderung, nationale Steuerpolitiken zu berücksichtigen. Mit dem komplexen Beziehungsgefüge der steuerpolitischen Akteure beschäftigte sich Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, in der ZEW-Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ am 14. Februar 2019 in Mannheim.
„Das europäische Steuerrecht bedarf stets eines einheitlichen Beschlusses“, eröffnete Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof seinen Vortrag vor rund 110 Gästen aus Wirtschaft und Wissenschaft am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Nationale und europäische Interessen im Steuerrecht auf Basis von 28 unterschiedlichen Steuersystemen zu wahren, sei kein leichtes Unterfangen. In Anbetracht aktueller antieuropäischer und protektionistischer Tendenzen stehe die Europäische Union in ihrer 70-jährigen Erfolgsgeschichte zudem vor einer größer werdenden Kluft zwischen Integration und Auseinanderdriften. „Das Konzept einer immer engeren und kooperativen EU ist historisch durchaus aufgegangen. Das derzeitige Auseinanderdriften Europas zeigt jedoch, wie schwierig diese Aufgabe ist, vor allem wenn es darum geht, ein konsistentes Steuerrechtssystem zu schaffen“, sagte der Richter in seinem Vortrag des Leibniz-WissenschaftsCampus „Mannheim Taxation“ (MaTax) mit dem Titel „Steuerrecht zwischen Berlin, Karlsruhe und Luxemburg“.
Laut Kirchhof lohnt sich daher ein Blick auf die Akteure des europäischen Steuersystems: EU-Kommission, Europäischer Rat, Europäisches Parlament und Europäischer Gerichtshof (EuGH). Die EU-Kommission verfolge am konsequentesten die europäische Integration und trete stark für ein europäisches einheitliches Steuerrecht ein. Sie plädiere für eine Beseitigung der steuerlichen Hindernisse für grenzüberschreitendes Wirtschaften sowie für alle Bürger/innen. In Steuerfragen strebe sie schnellere und leichtere Einigungen an und wolle daher bei Entscheidungen vom Einstimmigkeits- zum Mehrheitsprinzip übergehen. Dadurch könnten bisher noch uneinheitlich geregelte Bereiche harmonisiert werden, etwa im Bereich des Mehrwertsteuer- oder Verbrauchsteuerrechts.