Regionalpolitik muss Chancengerechtigkeit herstellen
Veranstaltungen#ZEWlive mit MdEP Constanze Krehl
Arbeitsplätze, schnelles Internet, eine gute ÖPNV-Verbindung – vieles ist in Deutschland und Europa regional ungleich verteilt. Doch wie lassen sich gleichwertige Lebensverhältnisse herstellen und wie viel Gleichheit brauchen wir? Darüber diskutierten am 23. Juni 2021 im Rahmen des Digitalformats #ZEWlive die sächsische Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Constanze Krehl, und ZEW-Experte Prof. Dr. Sebastian Siegloch, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Soziale Sicherung und Verteilung“. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Jessica Sturmberg.
Den Beginn machte ZEW-Ökonom Sebastian Siegloch mit einer aktuellen Lagebeschreibung der regionalen Ungleichheit in Deutschland. „Wir sehen ein Auseinanderdriften der Regionen bei der kommunalen Pro-Kopf-Verschuldung. Das ist ein Problem, weil viele Kommunen in Deutschland einen entscheidenden Beitrag für die Daseinsvorsorge leisten. Nicht zuletzt hat das einen entscheidenden Effekt auf die Lebensqualität“, konstatierte Siegloch vor den rund 100 virtuellen Zuschauer/innen. Zudem habe die Corona-Pandemie die Kommunen in einer Phase, in der sie gerade begonnen haben den Investitionsstau abzubauen, besonders hart getroffen. Das betreffe Regionen in Deutschland sehr unterschiedlich. Siegloch merkte weiterhin an, dass Ungleichheit nicht aus einer rein ökonomischen Perspektive betrachtet werden könne und es auch um gesellschaftliche und ökologische Lebensverhältnisse gehe; in Deutschland existieren regionale Differenzen zum Beispiel auch hinsichtlich der Lebenserwartung.
In der anschließenden Diskussion betonte der ZEW-Ökonom, dass Regionalpolitik besser als ihr Ruf sei und einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von regionalen Ungleichheiten sowie der Herstellung von Chancengleichheit leisten könne – solange die Förderung zielgerichtet sei. Dazu sei es vor allem wichtig, dass Entscheidungen von Akteuren vor Ort getroffen würden und es sich um kofinanzierte Projekte handle, welche die Kommunen oder Unternehmen mitfinanzieren. „Ziel ist es, regional sinnvolle Investitionen zu tätigen und regionale Ungleichheit auf ein Maß zurückzuführen, mit dem die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zufrieden sind“, sagte Siegloch.
Strukturfonds können gut funktionieren
Constanze Krehl, die seit 2004 als SPD-Europaabgeordnete im Ausschuss für regionale Entwicklung sitzt, betonte in ihrer Einschätzung über die Wirkung von Strukturfonds, dass diese sehr gut funktionieren können. „Die wirtschaftliche Entwicklung der neuen Bundesländer hat von den Strukturfonds profitiert“, sagte Krehl. Als Beispiel nannte die Europaabgeordnete ihre sächsische Heimat, die sich seit den 1990er Jahren positiv entwickelte, sei es mit Blick auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze, von Industrie oder von Verkehrsinfrastruktur. Strukturfonds hätten dort Kommunen geholfen, freiwillige Aufgaben für die Daseinsvorsorge zu realisieren. „Solche Entwicklungen brauchen Zeit“, erläuterte Krehl. Regionalpolitik und regionale Förderung müssten immer auch einen Transformationsprozess anstoßen. Gleichzeitig stellte sie klar, dass die EU immer nur einen Rahmen bieten könne und die erfolgreiche Umsetzung abhängig von den einzelnen Mitgliedsstaaten sei; dies funktioniere je nach Land unterschiedlich gut.
Mit Blick auf die Zukunft wünscht sich Krehl, dass der Fonds für ländliche Entwicklung nicht ausschließlich für die Finanzierung von Agrarsubventionen, sondern auch für die Entwicklung von ländlichen Regionen genutzt wird. Außerdem ist es wichtig, die länderübergreifende Kooperation weiter zu intensivieren. „Wir müssen zukünftig noch viel mehr lernen, über die Grenzen zu schauen und Möglichkeiten nutzen, um neue florierende Regionen zu erschaffen. Ich würde daher eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Regionalpolitik immer unterstützen“, so die Europaabgeordnete.