E-Commerce und internationale Unternehmensbesteuerung
E-Commerce und internationale Unternehmensbesteuerung
Der vermehrte Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien führt zu beobachtbaren Veränderungen der wirtschaftlichen Organisationsstrukturen. Im Einzelnen lässt sich eine "Virtualisierung" der internen Unternehmensorganisation, der Koordinationsformen zwischen verschiedenen Unternehmen sowie der Marktorganisation feststellen.
Die vom Unternehmen durchgeführten Markttransaktionen werden ganz oder teilweise mittels Informations- und Kommunikationstechnologien abgewickelt, wodurch sich elektronische Märkte herausbilden. Im Bereich der internen Unternehmensorganisation kommt es zu einer räumlichen Dezentralisierung, d. h. der Leistungserstellungsprozess erfolgt unter Einsatz mobiler Produktionsfaktoren zunehmend standortverteilt und -unabhängig. Daneben lässt sich insofern eine organisatorische Dezentralisierung beobachten, als dass die Unternehmensorganisation vermehrt prozessorientiert ist und eine Modularisierung der Wertschöpfungskette stattfindet. Die Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien führt darüber hinaus zu einer vermehrten Bildung hybrider Formen der Unternehmenskooperation, wie beispielsweise virtuelle Organisationen, so dass sich die Unternehmensgrenzen nicht mehr eindeutig bestimmen lassen.
Die Zielsetzung des Projekts bestand darin, die Konsequenzen der aufgezeigten Veränderungen der Unternehmens- und Marktstrukturen für die internationale Unternehmensbesteuerung umfassend und systematisch zu erarbeiten. Dabei resultieren die Schwierigkeiten für die Besteuerung hauptsächlich aus der zunehmenden Ortsunabhängigkeit der Unternehmen und Produktionsfaktoren sowie aus dem Fehlen räumlicher Anknüpfungspunkte, wie z .B. der Ländergrenzen, im weltumspannenden Datennetz. Zudem werden die Transaktionen vermehrt anonym durchgeführt, so dass die für die Besteuerung notwendigen Daten nicht immer verfügbar sind.
In einem ersten Schritt wurden die Folgen des Einsatzes moderner Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Unternehmens- und Marktstrukturen systematisch erarbeitet. Daran anschließend waren die Auswirkungen der Anwendung bestehender Regelungen des internationalen Steuerrechts auf die veränderten Unternehmens- und Marktstrukturen zu ermitteln. Schwerpunkte bildeten dabei die Bestimmung der Anknüpfungsmomente der Besteuerung, die Wahl der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie die Ergebnisaufteilung auf verschiedene Steuersubjekte und auf verschiedene Staaten. Als Beurteilungsrahmen dienten hier allgemein anerkannte Besteuerungsprinzipien, d. h. normative Kriterien einer optimalen Besteuerung.
Aus der Anwendung des geltenden Steuerrechts auf die veränderten Unternehmens- und Marktstrukturen resultieren verschiedene Problembereiche. Beispielsweise kann es zu einer Verletzung grundlegender Besteuerungsprinzipien wie der Gerechtigkeit und der Neutralität oder zu einer Verschiebung des Steuersubstrats zu Lasten des Tätigkeitsstaates und zu Gunsten des Ansässigkeitsstaates kommen. Daraus ergab sich die weiterführende Fragestellung, ob an den derzeit geltenden Regelungen des internationalen Steuerrechts festgehalten werden kann, inwiefern einzelne Korrekturen notwendig sind oder ob grundlegend andere Konzepte zur Anwendung kommen müssen, wie beispielsweise das einer (stärkeren) Konsumbesteuerung. Aufbauend auf dieser Fragestellung bestand die weiterführende Zielsetzung des Projekts darin, konkrete Ansatzpunkte zur Reform und Weiterentwicklung der internationalen Unternehmensbesteuerung zu entwickeln. Diese Reformüberlegungen sollen einerseits auf internationalen Besteuerungsprinzipien basieren, andererseits auch Überlegungen in anderen Staaten oder supranationaler Institutionen wie der EU-Kommission oder der OECD mit einbeziehen.
Als zentrale Weiterentwicklungen der internationalen Unternehmensbesteuerung im Zeitalter von IKT wurden in diesem Projekt ein Wechsel der transaktionsbasierten Gewinnverteilungsmethode hin zu einer formelhaften Gewinnaufteilung, eine Anpassung der Definition des Kriteriums des Orts der Geschäftsleitung an Formen der standortverteilten und mobilen Unternehmensführung sowie eine Erweiterung des Betriebsstätten-Begriffs erarbeitet.