Brüssels Überreaktion: Die Folgen von Ausgleichszöllen gegen China

Standpunkt

Subventionen für Schlüsselbranchen sind umstritten – aber ökonomisch allemal sinnvoller als Strafzölle auf Importe. Ein Gastbeitrag.

Klaus Schmidt und Achim Wambach plädieren für eine differenzierte Industriepolitik, die Subventionen klug nutzt, um die europäischen Interessen zu stärken, ohne internationale Konflikte zu verschärfen.

Die EU reagiert auf Chinas staatliche Subventionen mit Strafzöllen – doch sind diese wirklich der richtige Weg? In ihrem Gastbeitrag argumentieren Prof. Klaus Schmidt von der LMU München und ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, dass Ausgleichszölle nicht nur den Handel belasten, sondern auch wichtige globale Ziele wie Klimaschutz und Versorgungssicherheit gefährden. Stattdessen plädieren sie für eine differenzierte Industriepolitik, die Subventionen klug nutzt, um die europäischen Interessen zu stärken, ohne internationale Konflikte zu verschärfen.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Die EU-Kommission verhängt (WTO-konforme) Strafzölle für den Import von Elektroautos aus China, weil die Hersteller massiv subventioniert werden. Gleichzeitig ertönt der Ruf nach mehr eigenen Staatshilfen: Der ehemalige italienische Ministerpräsident Letta betont in einem Binnenmarktbericht für die Kommission die Notwendigkeit „flexiblerer Beihilferegeln“ im Rahmen einer neuen Industriepolitik, um europäischen Staaten mehr Freiheit zu geben, ihre Unternehmen zu fördern. Merke: Subventionen sind nur dann schlecht, wenn die anderen sie zahlen.

Nun gibt es gewichtige Gründe für eine aktive Industriepolitik, auch in Europa. Die Transformation hin zur Klimaneutralität wird nicht von alleine geschehen, selbst wenn die EU mit dem Emissionshandel ein wichtiges Instrument zum Klimaschutz erfolgreich etabliert hat. Auch Versorgungssicherheit in Krisenzeiten, etwa bei Arzneimitteln und Rohstoffen, erfordert einen aktiven Staat. Zwar liegt die Sicherstellung der Lieferketten auch im einzelwirtschaftlichen Interesse der Unternehmen. Den gesamtwirtschaftlichen Schaden zerbrochener Lieferketten haben sie aber nicht im Blick.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie mit Subventionen aus Drittstaaten umzugehen ist. Diese können den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerren, aber sie haben auch Vorteile für hiesige Kunden: Wenn Chinas Steuerzahler die dortige Solarindustrie fördern und diese in Europa deshalb günstigere Solarmodule anbietet, ist das gut für jeden, der sie bei uns auf seinem Haus installieren will.

Ein weiteres Argument kommt hinzu: Das übergeordnete Ziel der Klimapolitik ist die weltweite Klimaneutralität, ein globales öffentliches Gut. Wenn Drittstaaten ihre grünen Industrien subventionieren, hilft das allen Ländern, die Klimaziele kostengünstiger zu erreichen. Auch Chinas Subventionen tragen zur weltweiten CO2-Reduktion bei. Aus dieser Sicht ist die EU nicht gut beraten, gegen Subventionen bei Solarmodulen oder E-Fahrzeugen aus China vorzugehen.

Selbst der umstrittene Inflation Reduction Act (IRA), das große Förderprogramm der USA, lässt sich vor diesem Hintergrund als Chance begreifen: Diese Subventionen verringern nicht nur die Kosten für den Klimaschutz, sondern auch die Abhängigkeit von China, und tragen damit zu sichereren Lieferketten bei. Denn auch diese haben teilweise die Eigenschaften eines globalen öffentlichen Gutes. Investitionen in neue Abbaustätten für Rohstoffe oder Anreize für vermehrte Lagerhaltung machen in Krisenzeiten Lieferkettenunterbrechungen unwahrscheinlicher.

Damit es kein Missverständnis gibt: Gut designte Subventionen können einen Beitrag zu Klimaschutz und Resilienz in Europa leisten – dies ist aber kein Freibrief für Staatshilfen und einen stärkeren Staatseinfluss auf die Wirtschaft. Subventionen verzerren den Wettbewerb, führen zu mehr Lobbyismus und kosten Steuergelder. Nicht jede Subvention, die heute im Namen von Klimaschutz und Resilienz ausgerufen wird, ist daher sinnvoll. So empfiehlt der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, die Transformation der Grundstoffindustrien zu Klimaneutralität vor allem über grüne Leitmärkte zu fördern und möglichst wenig auf Subventionen in Form von Klimaschutzverträgen zu setzen.

Konflikt mit China nicht anfeuern

Global kontraproduktiv ist es auch, Subventionen zu zahlen, damit Firmen ihre Produktion ins Heimatland verlagern. Dies verschärft im Krisenfall und bei Grenzschließungen die Lieferengpässe in den anderen Ländern.

Besser ist womöglich ein Modell wie bei den deutschen Pandemiebereitschaftsverträgen: Impfstoffhersteller erhalten Zahlungen dafür, dass sie Produktion in Deutschland vorbereiten, um im Krisenfall (wie einer neuen Pandemie) lieferfähig zu sein. Sofern die Produktionsstätten zusätzlich entstehen und nicht von anderswo abgezogen werden, tragen sie über Deutschland hinaus zur Versorgungssicherheit bei.

Wie geht es nun weiter? Noch will die EU mit China verhandeln, um die Zölle zu vermeiden, und es wäre der beste Weg, den Konflikt friedlich beizulegen. Es steht jedoch zu befürchten, dass die Verhandlungen scheitern. Dann wären Strafzölle auf Güter, die für globale Ziele von zentraler Bedeutung sind, eine schlechte Idee.

IRA, Green Deal und Chinas Subventionen helfen beim Erreichen der Pariser Klimaziele und tragen zur Resilienz der Lieferketten bei. Der Subventionswettlauf hat daher auch sein Gutes. Die EU sollte dies nicht vergessen, wenn sie über den Umgang mit Subventionen von Drittstaaten berät.

Der Gastbeitrag ist zuerst erschienen in der WirtschaftsWoche [€].