Die Bedeutung der Umwelttechnologie für Deutschland - Die Rolle von Umwelttechnologien als Jobmaschine wird überschätzt

Nachgefragt

Laut einer aktuellen Branchenstudie der Unternehmensberatung Roland Berger bleibt die deutsche Umwelttechnologie auch in der Wirtschaftskrise auf Wachstumskurs. Das gilt zumindest für den Bereich der erneuerbaren Energien. Trotz des allgemeinen Konjunkturabschwungs sind die Auftragsbücher der Hersteller von Solarzellen und Windkraftanlagen gut gefüllt. Dr. Klaus Rennings, stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs "Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement" am ZEW, plädiert jedoch für einen realistischen Blick auf die Zahlen, auch wenn er die ökonomische Bedeutung von integrierten Umwelttechnologien, die Umweltbelastungen erst gar nicht entstehen lassen, betont.

Dr. Klaus Rennings, Jahrgang 1963, promovierte nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre 1994 an der an der Universität Münster. Seit Ende 1994 am ZEW tätig, ist Rennings stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs "Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement". Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der innovationsorientierten Umweltpolitik und Nachhaltigkeitsprüfung. Derzeit leitet er unter anderem das Projekt SECO@home "Soziale, ökologische und ökonomische Dimensionen eines nachhaltigen Energiekonsums in Wohngebäuden". Rennings ist Mitglied im Ausschuss "Umwelt- und Ressourcenökonomik" des Vereins für Socialpolitik.

Warum ist die Technik zur Gewinnung "grüner Energie" deutlich weniger von der Rezession betroffen als andere Schlüsselbranchen in Deutschland, etwa der Maschinenbau?

Beim Maschinenbau handelt es sich im Vergleich zur Energieversorgung um einen relativ freien Markt, der vom Einbruch der Exporte durch die Finanzkrise besonders stark betroffen ist. Die Energieversorgung ist dagegen ein immer noch stark regulierter Markt, der vor allem von politischen Vorgaben angetrieben wird. So gibt es langfristige Ausbauziele für die erneuerbaren Energien in den meisten Industrieländern, dazu existieren ebenso langfristige Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen und zur Steigerung der Energieeffizienz. Dies schafft einen Regulierungstrend, der eine stabile staatliche und indirekt - etwa über höhere Energiepreise und Auflagen für Energieeffizienz – auch private Nachfrage nach Technologien für erneuerbare Energien und zur CO2-Reduktion hervorbringt.
Dagegen gibt es in vielen anderen Branchen, wie auch im Maschinenbau, keinen staatlichen Rahmen für den Markt. Dies erklärt den drastischen Rückgang der Auftragseingänge im Maschinenbau beispielsweise um rund 50 Prozent im Februar dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr.

Der Ölpreis ist in jüngster Zeit stark gesunken. Bleiben Solaranlagen- und Windradhersteller auch in den Zeiten billigen Öls auf Wachstumskurs?

Davon ist auszugehen, denn der geschilderte Regulierungstrend macht die Nachfrage nach kohlenstoffarmen und energieeffizienten Technologien inzwischen einigermaßen unabhängig vom Ölpreis.

Können sich neben der "Grünen Energie" auch andere Umwelttechnologien in der Wirtschaftskrise erfolgreich behaupten?

Man unterscheidet bei Umweltinnovationen zwischen integrierter Umweltschutztechnik und nachgeschalteter Technologie, den sogenannten End-of-pipe-Technologien. Der Markt für End-of-pipe-Technologien, also etwa für Abluftfilter oder Katalysatoren, schrumpft seit den 90er Jahren und wird auch in Zukunft an Bedeutung abnehmen. Es hat ein Wandel zu integrierten Umwelttechnologien stattgefunden, die Umweltbelastungen erst gar nicht entstehen lassen. Energieeffizienztechnologien sind ein Beispiel dafür. Bei integrierten Umweltschutztechnologien handelt es sich um Querschnittstechnologien, die alle Wirtschaftssektoren betreffen, und genau in diesem Bereich – das heißt in einer energie- und ökoeffizienten Produktion – liegt ein beträchtlicher Teil des Innovationspotentials unserer Volkswirtschaft.

Löst die Umwelttechnik den Autobau in Deutschland mittelfristig als Jobmaschine ab?

Betrachtet man den Wandel von nachgeschalteter zu integrierter Umwelttechnik, dann kommt es eher darauf an, dass sich die deutsche Autoindustrie in eine Industrie verwandelt, die energie- und ökoeffiziente Fahrzeuge herstellt. Mit anderen Worten: Die Automobilindustrie ist selbst Teil der Umweltschutzindustrie und muss sich weiter verbessern. Teilweise hat sie diesen Schritt bereits vollzogen, aber die Diskussion um CO2-Grenzwerte in der Europäischen Union hat gezeigt, dass sich die deutsche Automobilindustrie aufgrund ihres speziellen Kundensegments – den Mittel- und Oberklassewagen – in einem Wettbewerbsnachteil befindet. Trotzdem, bei allen alternativen Antrieben – Batterien, Brennstoffzelle etc. – sind deutsche Produzenten führend vertreten. Ich gehe davon aus, dass die deutsche Autoindustrie diesen Wandel hinbekommen wird, und sogar einen Vorteil speziell vor den Amerikanern realisieren kann.
So wird auch garantiert, dass der Umweltschutz zumindest kein Jobkiller wird. Man muss ja auch die unterschiedlichen Dimensionen berücksichtigen. Selbst 280.000 neu geschaffene Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien können niemals Millionen von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie ersetzen.

Umwelttechnologien sollen die Umwelt entlasten, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und neue Stellen schaffen. Sind diese Erwartungen zu hoch gesteckt?

In der Tat: Die Sekundärnutzen von Umwelttechnologien wie etwa Innovationen und Arbeitsplätze werden in der öffentlichen Diskussion sehr hoch aufgehängt. Schaut man dann hinter die Zahlen, muss man nüchtern feststellen: Die erneuerbaren Energien haben im Jahr 2008 zwar brutto knapp 280.000 Arbeitsplätze geschaffen, doch gleichzeitig haben sie auch Arbeitsplätze gekostet, denn die Arbeitsplätze im Bereich der konventionellen Energieerzeugung sind im gleichen Zeitraum entsprechend zurückgegangen. Der Nettoeffekt durch Umwelttechnologien muss zwar nicht gleich Null sein, aber er ist bescheiden. Das wird in der öffentlichen Diskussion gerne verschwiegen. Realistisch gesehen muss man sagen: In erster Linie sollen Umwelttechnologien die Umwelt entlasten. Wenn dies ohne allzu große wirtschaftliche Einschränkungen möglich ist, ist schon viel gewonnen.

Gerade im fossil befeuerten Energiesektor konnten sich in den letzten Jahrzehnten umweltfreundliche Innovationen nur sehr schwer durchsetzen. Woran liegt das?

Kraftwerke sind heutzutage Milliardeninvestitionen. Und seit der Liberalisierung der Energiemärkte verhalten sich die Energieversorger sehr risikoscheu. Sie fürchten Verluste aufgrund hoher technologischer Risiken, vertrauen eher der bewährten, konventionellen Kohletechnologie und setzen auf kleine, inkrementelle Verbesserungen. Eine wirklich neue, radikale Technologie – beispielsweise Kraftwerke mit Kohlevergasung – hat es unter diesen Bedingungen schwer, sich durchzusetzen.

Sollte der Staat eingreifen, wenn Innovationen, die das Klima oder die Umwelt entlasten, am Markt scheitern?

Der Staat sollte dort eingreifen, wo Marktversagen feststellbar ist. Das ist etwa in der Grundlagenforschung der Fall. Hier sollte der Staat dazu beitragen, dass unsere Forscher einen technologischen Lösungsvorrat für die Umweltprobleme von morgen entwickeln. Zweitens gibt es externe Belastungen der Umwelt, die der Staat internalisieren muss, beispielsweise durch die Einführung des Emissionshandelssystems. Die Notwendigkeit einer geschickten Kombination von Umwelt- und Innovationspolitik wird in Deutschland und in der Europäischen Union durchaus gesehen. Sie wird aktuell intensiv vorangetrieben.

Die Bundesregierung hat jüngst entschieden, die CCS Technologie im Modellversuch zu erforschen. CCS steht für Carbon Capture and Storage, also dafür, dass das klimaschädliche Kohlendioxid, das beim Verbrennen fossiler Energieträger entsteht, abgeschieden und unterirdisch gelagert wird, anstatt in die Atmosphäre zu entweichen. Was bedeutet die staatlich gestützte Erprobung von CCS für den Technologiestandort Deutschland?

CCS wird eine hohe Bedeutung für den Klimaschutz haben, weil die Technologie aus einer globalen Perspektive heraus unverzichtbar ist. Kohle ist nach wie vor der bedeutendste Energieträger zur Elektrizitätsgewinnung, und angesichts der reichen Kohlereserven in Ländern wie China, USA oder auch Polen ist es undenkbar, dass diese Lagerstätten aus Umweltschutzgründen nicht abgebaut werden. Einzige Lösung ist die CO2-Abscheidung. Es stehen verschiedene technologische Optionen zur Verfügung, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Sie sollten weiterentwickelt und zum Einsatz gebracht werden. Wenn irgendwann einmal chinesische Kohlekraftwerke mit deutscher CCS-Technik bestückt oder gar nachgerüstet werden, wären wir auf dem Weg zum Klimaschutz einen großen Schritt weiter, und auch ökonomisch wäre das natürlich vorteilhaft für die deutschen Kraftwerksbauer. Wichtig ist aber auch, zu sehen, dass CCS aufgrund begrenzter Lagerkapazitäten für CO2 eine Übergangstechnologie für die nächsten 100 Jahre sein wird, die das Klimaproblem auf Dauer nicht lösen kann.