Schnellere Anerkennung statt Rückführungsdebatten

Kommentar

ZEW-Arbeitsmarktökonom zu Bürgergeld- und Rückführungsdebatten bei ukrainischen Geflüchteten in Deutschland

Forderungen nach Kürzung der Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine und Rückführungen sind laut Dr. Martin Lange unpraktisch und unrealistisch. Die Lösung liegt in schnelleren Anerkennungsverfahren und besserer Kinderbetreuung.

Aus Teilen der Politik kamen zuletzt verstärkt Forderungen, Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine zu kürzen. Sogar Rückführungen in die Westukraine stehen im Raum, sollten Ukrainer/innen keine Arbeit haben. Dr. Martin Lange, Leiter der Nachwuchsforschungsgruppe „IMES – Integration von Migranten/-innen und Einstellungen zum Sozialstaat“ des Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“ am ZEW Mannheim, ordnet ein:

„Grundsätzlich geht die Debatte an der Realität der Behörden vorbei: Die Umstellung von Bürgergeld auf Asylbewerberleistungen würde die lokalen Sozialämter unverhältnismäßig stark belasten. Diese operieren meist sowieso schon an der Belastungsgrenze. Was den Ukrainerinnen und Ukrainern in Deutschland hilft, sind nicht Rückführungsdebatten, sondern schnellere Anerkennungsverfahren ihrer Qualifikationen und eine höhere Verfügbarkeit von Kinderbetreuung.

Dass gekürzte Leistungen die Integrationsbereitschaft erhöhen würden, greift dagegen zu kurz. Die russische Invasion der Ukraine ist gerade einmal zwei Jahre her. Aus der Ukraine kamen vor allem junge Frauen mit Kindern – also eine Gruppe, die es hierzulande grundsätzlich schwerer hat, im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Kürzungen der Leistungen träfen daher eine besonders vulnerable Gruppe. Zudem verläuft die Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten insgesamt wie erwartet und nicht schlechter als von anderen vorherigen Zuwanderungsgruppen.

Vor allem ist erfreulich, dass Ukrainerinnen und Ukrainer auf langfristige Integration setzen: Mehr als die Hälfte wollen langfristig in Deutschland bleiben, die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen ist hoch, Vorqualifikationen sind vorhanden. Dies sind wichtige Voraussetzungen, dass die Geflüchteten gute und qualifizierte Beschäftigung finden.

Allerdings sollte in dieser Debatte bedacht werden, dass die Aufnahme von Schutzsuchenden vor Krieg und Zerstörung ein humanitäres Gebot ist, das sich nicht an eine Arbeitsmarktpartizipation knüpfen lässt. Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind hier, weil sie Schutz vor dem russischen Angriffskrieg suchen, nicht um unseren Arbeitskräftemangel zu beheben.“